NAH.SH-Netz Mitte muss erneut ausgeschrieben werden

Im vergangenen Jahr startete die NAH.SH die Ausschreibung für die Netze Mitte und Süd-West für den Zeitraum ab Dezember 2027 – nun ist bekannt: Für ein Los wurde kein wirtschaftliches Angebot abgegeben. Das Netz Mitte muss erneut ausgeschrieben werden.

Für das Netz Mitte, zu dem die Linien RE 7 und RE 70 gehören, ging laut dpa-Informationen kein wirtschaftliches Angebot ein. Deshalb wird das Land Schleswig-Holstein hier keinem der Bieter den Zuschlag erteilen, sondern noch im Mai eine neue Ausschreibung starten. Dabei solle in einzelnen Punkten nachjustiert werden. Die Zuschlagserteilung sei für Herbst 2025 geplant. Verkehrsstaatsrat Tobias von der Heide (CDU) ist zuversichtlich, dass es im zweiten Anlauf deutlich bessere Angebote gebe.

Laut Informationen der Kieler Nachrichten sehe es beim Netz Südwest, das die Linien RB 61, RB 71 und RB 77 umfasst, besser aus. Die NAH.SH teilte mit, dass mindestens ein wirtschaftliches Angebot für dieses Netz abgegeben worden sei. Da das Verfahren noch nicht abgeschlossen sei, könne noch nicht mitgeteilt werden, welches Verkehrsunternehmen ab Dezember 2027 auf den bisher von der nordbahn befahrenen Strecken fahren würde.

NetzLinieStrecke im neuen Vertrag
Mitte..RE 7..Hamburg Hbf – Neumünster (Zugteilung) – Kiel / Flensburg – Tinglev (DK)
Mitte.RE 70.Hamburg Hbf – Neumünster – Kiel
Süd-West.RB 61.zunächst: Hamburg Hbf – Itzehoe
später: Hamburg Hbf – Itzehoe – Heide
Süd-West.RB 71.zunächst: Hamburg-Altona – Elmshorn (Zugteilung) – Itzehoe / Wrist – wsl. Kellinghusen
später: Hamburg Hbf – Elmshorn (Zugteilung) – Itzehoe / Kellinghusen
Süd-West.RB 77.nur zur Kieler Woche: Neumünster – Kiel

Für beide Netze beschafft die NAH.SH neue Triebzüge vom Typ Alstom Coradia Max. Die 42 Fahrzeuge sollen im Laufe des Jahres 2027 ausgeliefert und anschließend 30 Jahre von Alstom gewartet werden. Die 23 Fahrzeuge für das Netz Mitte werden dänemarktauglich ausgeliefert.

Kommentar: Scheitern auf Ansage

Das hat es in Schleswig-Holstein lange nicht gegeben: Ein Ausschreibungslos wird mangels wirtschaftlicher Angebote nicht vergeben. Doch ganz so überraschend scheint das nicht. Nach umfassender Lektüre des öffentlich einsehbaren Vertragsentwurfs ist klar: Die Vergabestelle wollte unwägbare Risiken auf die Unternehmen abwälzen. Die niedersächsische LNVG beklagt bei der Auslieferung ihrer neuen Alstom-Züge inzwischen zwei Jahre Verzug. Noch Anfang des Jahres ging die Vergabestelle in ihrer Antwort auf eine entsprechende Bieterfrage von einer pünktlichen Auslieferung aller Fahrzeuge bis Dezember 2027 aus: Schließlich lägen keine Anhaltspunkte vor, die das Gegenteil nahelegten. Dabei waren auch im Rahmen anderer Bestellungen von Alstom Coradia Max-Fahrzeugen längst Verzögerungen bekanntgegeben worden.

Das Problem: Das Risiko nicht fristgerechter Auslieferung und Inbetriebnahme der Neufahrzeuge sollten die Bieter tragen – also notfalls Ersatzzüge stellen. Was nach einem „bekannt und bewährt“ klingt – schließlich verfügen nordbahn und DB über Fahrzeuge in ihren Netzen – hat einen Haken: Das Netz Mitte benötigt dänemarktaugliche Fahrzeuge. Das sind die heute eingesetzten Twindexx-Triebzüge nicht. Bieter, die bisher noch gar nicht in den ausgeschriebenen Netzen fuhren, wurden aufgrund unkalkulierbarer Risiken wohl faktisch ausgeschlossen.

Auch sind in dem Vertragsentwurf (entlohnte) Probefahrten mit den Neufahrzeugen vorgeschrieben – aber nicht in Dänemark. Der künftige Betreiber müsste also auf eigene Rechnung testen, ob die Fahrzeuge auch wirklich dänemarktauglich sind, und wie stabil der Systemwechsel in Padborg funktioniert. Dazu kamen hohe Pönalen für die Sauberkeit der Fahrzeuge, die zwischenzeitlich entschärft wurden, aber auch ungewohnt enge Waschzyklen: Die Fahrzeuge des Netzes Mitte sollten wöchentlich eine Außenreinigung erhalten. Kein Wunder, dass es zwar die äußerlich saubersten, aber wohl auch im Angebot teuersten Verkehrsleistungen wurden. Man könnte sagen: Dieses Vergabeverfahren scheiterte auf Ansage.

Anmerkung: Die verschiedenen Entwürfe des Verkehrsvertrags sowie Bieterfragen und die Antworten hierauf sind auf der von der NAH.SH genutzten Vergabeplattform öffentlich einsehbar. Der Kommentar gibt ausschließlich die persönliche Meinung des Autoren wider. Titelbild: ALSTOM

Fehlerkorrektur: In der ursprünglichen Fassung des Kommentars wurde entsprechend der Medienberichte geschrieben, dass erstmals ein Los mangels wirtschaftlicher Angebote nicht vergeben wurde. Dies trifft nicht zu: Bei der Ausschreibung des künftigen Netzes Süd-West (heute: Netz Mitte, Los B) passierte dies 2011 ebenfalls. Der Beitrag wurde daher korrigiert.