Baureihe 472

Von den dreiteiligen Triebzügen der Baureihe 472/473 wurden von 1974 bis 1976 und 1982 bis 1984 insgesamt 62 Einheiten in zwei Serien gebaut und bis 2022 außer Betrieb genommen.

Die Züge der Baureihe 472/473 besitzen die folgenden Fahrzeug- bzw. Wagennummern:

BauserieAnzahlFahrzeugnummernWagennummernTz-Nummern
1. BS30A-Wagen: 472 001 – 030
C-Wagen: 473 001 – 030
B-Wagen: 472 501 – 530
2001 – 2030
3001 – 3030
2501 – 2530
201 – 230
2. BS32A-Wagen: 472 031 – 062
C-Wagen: 473 031 – 062
B-Wagen: 472 531 – 562
2031 – 2062
3031 – 3062
2531 – 2562
231 – 262

Beschaffung

Für die neue City-S-Bahn Hauptbahnhof – Jungfernstieg – Altona wurde aufgrund der Steigungen von bis zu 40 Promille vom Bundesbahn-Zentralamt Minden zusammen mit der Industrie ein neuer Fahrzeugtyp mit angetriebenen Mittelwagen entwickelt, anstatt weitere Fahrzeuge der Baureihe 470 (mit unangetriebenem Mittelwagen) zu bestellen. Die Mittelwagen wurden von Messerschmidt-Bölkow-Blohm in Donauwörth gefertigt, die Endwagen von Linke-Hofmann-Busch in Salzgitter, wo auch die Endfertigung erfolgte. Die elektrische Ausrüstung lieferte Brown Boveri & Cie (BBC) aus Mannheim.

Die erste Serie wurde 1974 bis 1976 gebaut und umfasste 30 Züge. Der Probebetrieb mit den Triebzügen 201 bis 207 begann am 3. März 1975 auf der Linie S2. Dabei stellte sich heraus, dass der Fußboden verstärkt und Regenrinnen über der Scharfenbergkupplung angebracht werden mussten.

In den Jahren 1982 bis 1984 folgten 32 weitere Fahrzeuge, welche für die Harburger S-Bahn beschafft wurden. Sie unterschieden sich nur in Details, für die Fahrgäste sind die Züge der zweiten Serie insbesondere an den anderen Türgriffen und der reduzierten Anzahl an Klappfenstern erkennbar. Sie besaßen ab Werk Fenster zwischen den Wagen, welche die Züge der 1. Bauserie erst später im Rahmen eines Redesigns erhielten.

Technisches

Dieser Absatz beschreibt die Fahrzeuge im heutigen Zustand.

Die Fahrzeuge der Baureihe 472/473 bestehen aus drei betrieblich nicht trennbaren Wagen, welche mit Kurzkupplungen miteinander verbunden sind. Es können bis zu drei Einheiten miteinander gekuppelt werden, die Züge sind mit den Vorgängerbaureihen der Hamburger Gleichstrom-S-Bahn im Mischbetrieb frei einsetzbar. Jeder Zug ist 65,82 Meter lang und bietet 196 Sitz- und 303 Stehplätze (0,25 m²/Person).

Lange Jahre auf der S21 heimisch: Die Baureihe 472. Hier hat ein Vollzug aus zwei Einheiten der 1. BS den Hauptbahnhof verlassen und erreicht in Kürze die Lombardsbrücke.

Das Kuppeln mit den Fahrzeugen der Baureihe 474/874 ist nur mittels einer Übergangskupplung, mit den Fahrzeugen der Baureihe 490 gar nicht möglich.

Die zwölf Tatzlagermotoren mit einer Dauerleistung von 125 kW können die Fahrzeuge auf eine Geschwindigkeit von 100 km/h beschleunigen, dabei wird eine maximale Beschleunigung von 1,15 m/s² erreicht. Alle Drehgestelle sind angetrieben. Die Stromaufnahme erfolgt über vier Seitenstromabnehmer pro Fahrzeugseite, welche sich an den Drehgestellen 1, 3, 4 und 6 befinden.

Zum Einsatz kommt ein Schaltwerk mit 31 Schaltstufen (1. BS) bzw. ein rücklauffähiges Schaltwerk mit 26 Schaltstufen (2. BS). Der Fahrbremsschalter besitzt drei Fahr- und drei Bremsstufen.

Die Fahrzeuge besitzen – neben der mehrlösigen indirekten Druckluftbremse – eine als fremderregte stromschienenspannungsabhängige Widerstandsbremse ausgeführte elektrische Bremse sowie eine direkt wirkende elektropneumatische Bremse. Die indirekte Bremse wird über das Führerbremsventil vom Typ EE4 bedient, während die ep-Bremse über einen Impulsgeber angesteuert wird.

Die Endwagen verfügen pro Seite über vier, die Mittelwagen über drei Außenschwenkschiebetüren, erstmals ist der Führerstand auch direkt von Außen direkt und nicht nur durch den Fahrgastraum erreichbar. Die Fahrgastraumtüren werden elektropneumatisch angetrieben und verfügen über einen Einklemmschutz und optische und akustische Warneinrichtungen beim Schließen. Im Fahrgastraum dominieren Blautöne, die Sitze sind mit dem von DB Regio bekannten blauen Stoff bezogen. Hinter den Führerständen befindet sich jeweils ein Traglastenabteil.

Redesign und FIS

Ab 1997 wurden die Züge den Neubaufahrzeugen der Baureihe 474 optisch angeglichen (verkehrsrot statt cremefarben) und saniert. Die Züge der 1. Bauserie erhielten dabei Fenster zwischen den Wagen, die 2. Bauserie besaß diese bereits ab Werk. Die Fallblattanzeigen wurden gegen Rollbandanzeigen getauscht. In den Türbereichen wurden Sprechstellen nachgerüstet und Türüberwachungsanlagen sowie eine Notbremsüberbrückung eingebaut. Das Redesignprogramm wurde im Jahr 2000 (1. BS) bzw. 2005 (2. BS) abgeschlossen. Die „überzähligen“ und unmodernisierten Triebzüge 251 und 252 wurden im Originalzustand 2005 ausgemustert und verschrottet.

Die Züge der 1. Bauserie erhielten nach ihrer Modernisierung die Bildschirme für die Selbstabfertigung und den SAT-Empfänger nachgerüstet.

Eine als S1 umgeleitete S11 in Altona. Gut zu erkennen sind die neuen LCD-Zugzielanzeigen und der SAT-Empfänger rechts daneben.

Seit Ende der 2000er-Jahre verfügen die Züge über ein elektronisches Fahrgastinformationssystem. Dieses umfasst eine LCD-Zugzielanzeige sowie LCD-Stationsanzeigen an den Wagenenden und Stationsansagen „von Band“.

Ablösung durch Neufahrzeuge

Nach der Abschaffung der 1. Klasse bei der S-Bahn im Jahr 2001 entstand ein Fahrzeugüberschuss. Insgesamt zehn Fahrzeuge wurden so in den Jahren 2004-2006 bei größeren Schäden betriebsunfähig abgestellt und verschrottet.

Die Ablösung der verbliebenen 52 Triebzüge sollte durch 60 Fahrzeuge der Baureihe 490 erfolgen. Die Abstellung der Fahrzeuge begann im Mai 2018 bei Fristablauf. Einige Züge wurden aufgrund der Startschwierigkeiten der Baureihe 490 allerdings bis Mai 2019 noch einmal hauptuntersucht, zuletzt Fahrzeug 238 am 13.05.2019. Seitdem werden Züge bei größeren Beschädigungen oder Fristablauf (8 Jahre) z-gestellt und verschrottet. Die Verwertung erfolgt durch die Firma Bender in Opladen. Eine Übersicht über die Abstellung der Baureihe 472/473 seit 2018 liefert >> diese << Chronik.

Am 11. Dezember 2020 fuhren letztmals vier Umläufe mit Zügen der Baureihe 472 / 473 auf der Linie S11. Trotz intern kurzfristig verkündetem Einsatzende wurden einige Einheiten über diesen Tag hinaus aufbewahrt, welche bereits ab dem 14. Dezember 2020 täglich auf zwei festen Umläufen auf der S11 zum Einsatz kamen. Im ersten Halbjahr 2021 kamen sogar noch einmal drei Umläufe zum Einsatz. Am 23. Februar 2022 kündigten die S-Bahn Hamburg und die Historische S-Bahn Hamburg ein Einsatzende am 4. März 2022 an, welches mit einer Abschiedsfahrt „gefeiert“ werden soll.

Bereits am 16. Dezember 2021 fiel der Startschuss für die Aufarbeitung des Triebzugs 472 062, er soll ab Anfang 2024 die Museumsflotte ergänzen und sich dann weitestgehend im Auslieferungszustand von 1984 zeigen.

Einsatz heute

Der planmäßige Einsatz endete am 4. März 2022.

Letzte Aktualisierung: 28.11.2023