U-Bahn100: Digitalisierung der U2/U4 mit CBTC

Im November 2022 stellte die HOCHBAHN ihr Digitalisierungsprojekt „U-Bahn100“ vor, der einen halbautomatischen Betrieb auf einem Teil der Linie U2 sowie der Linie U4 vorsieht. Mit der neuen Technik soll künftig alle 100 Sekunden ein Zug fahren können. Nötig ist ein sogenanntes CBTC-System (Communication-Based Train Control), das die Firma Siemens liefert.

Auf dieser Seite informieren wir über:

Das Thema CBTC ist durchaus anspruchsvoll, diese Seite kann nur einen vereinfachten Überblick über die Materie geben.

Das Projekt U-Bahn100 im Überblick

Status Quo und Ziele des Projekts

Mit 90.000 Fahrgästen täglich ist der Streckenabschnitt zwischen Berliner Tor und Burgstraße hoch frequentiert. Mit der Eröffnung der U4-Neubaustrecke auf die Horner Geest werden nochmals mehr Fahrgäste dazu kommen. Da mit der heutigen Technik nur vier Züge pro 10 Minuten fahren können, wäre die Kapazitätsgrenze daher bald erreicht.

Um mehr Züge auf der selben Strecke fahren lassen zu können, wird ein halbautomatischer Betrieb eingeführt. Damit können dann ab 2027 auf dem von den Linien U2 und U4 gemeinsam genutzten Streckenabschnitt sechs Züge pro 10 Minuten fahren. Das entspricht einer Steigerung um 50% – bezogen auf das heutige Fahrtenangebot von drei Zügen pro 10 Minuten sogar einer Verdoppelung. Dabei handelt es sich um zwei Züge der Linie U4 zwischen der HafenCity und Horner Geest sowie um bis zu vier Züge der Linie U2, wovon nur drei bis Mümmelmannsberg geführt werden sollen.

Im Rahmen des Projekts U-Bahn100 soll der halbautomatische Betrieb auf folgenden Streckenabschnitten realisiert werden:

  • .U2. zwischen Christuskirche – Mümmelmannsberg
  • .U4. zwischen Elbbrücken – Horner Geest

Bis Herbst 2027 werden alle 163-Fahrzeuge mit der CBTC-Technik ausgerüstet. Aus wirtschaftlichen Gründen werden die DT4-Fahrzeuge nicht mehr hochgerüstet, da sie vor dem Ende ihrer Einsatzzeit stehen. Die Ausrüstung von Museumsfahrzeugen und Arbeitszügen ist derzeit nicht vorgesehen.

Die Kosten belaufen sich laut HOCHBAHN auf rund 200 Millionen Euro, eine Förderung des Bundes über das GVFG (Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz) ist beabsichtigt.

Welche Technik kommt zum Einsatz?

Es wird ein sogenanntes CBTC-System eingeführt. Die Abkürzung CBTC steht für „Communication-Based Train Control“ und bezeichnet Systeme zur Zugbeeinflussung und Sicherung von Zugfahrten. Die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Streckenausrüstung findet hierbei in beiden Richtungen statt. Eine präzise Gleisfreimeldung ermöglicht es, im wandernden Raumabstand zu fahren („moving block“). Durch den Verzicht auf feste Streckenblöcke können Züge so dichter aufeinander auffahren und die Zugfolge damit erhöht werden. Der Sicherheitsabstand zwischen den Zügen variiert je nach gefahrener Geschwindigkeit: Bei 70 km/h beträgt dieser 320 Meter, bei 40 km/h bereits nur noch 120 Meter.

In Hamburg soll mittels CBTC zunächst der Automatisierungsgrad „GoA2“ erreicht werden. Der Zugfahrer bleibt weiterhin an Bord und löst die Abfahrt aus. Außerdem ist der Fahrer auch für die Türsteuerung zuständig. Die Fahrt selbst wird von der Abfahrt bis zum Stillstand vollautomatisch durchgeführt, wobei der Fahrer die Verantwortung behält und jederzeit in die Steuerung eingreifen kann.

Die Streckenausrüstung, Stellwerkstechnik und Fahrzeugausrüstung liefert die Frima Siemens.  Zum Einsatz kommt das System Siemens Trainguard MT, das schon in der Praxis erprobt ist: Es ist z.B. in New York, London, Paris, Wien und Kopenhagen im Einsatz. Sechs Stellwerke entlang der U2/U4-Strecke müssen hochgerüstet werden.

Auf der in Bau befindlichen neuen U-Bahnlinie U5 soll ebenfalls ein CBTC-System zum Einsatz kommen, dort mit dem Automatisierungsgrad „GoA4“, bei dem sich an Bord der Züge kein Personal mehr befindet. Der Betrieb auf der Linie U5 ist nicht Gegenstand des Projekts U-Bahn100, dieses bezieht sich nur auf die Digitalisierung des Bestandsnetzes.

Die technische Ausrüstung im Überblick

Im Folgenden soll die technische Ausrüstung der Strecke und Fahrzeuge näher beleuchtet werden. Da weder das gesamte Netz noch alle Fahrzeuge hochgerüstet werden, kommt es zu einer Doppelausrüstung zwischen bestehender Alttechnik und der CBTC-Technik. Auch die U4-Neubaustrecke Horner Rennbahn – Horner Geest erhält deshalb – wenngleich in reduziertem Umfang – eine konventionelle Zugsicherungstechnik mit Lichtsignalen.

Die bestehenden Lichtsignale werden grundsätzlich auf den digitalisierten Streckenabschnitten dunkelgeschaltet. Wenn ein Zug ohne CBTC-Ausrüstung die Strecke befahren soll, fährt dieser Zug zwischen den CBTC-Zügen mit Lichtsignalen.

Ausrüstung der Strecke

Seit September 2022 wurde zunächst das bestehende Testgleis zwischen Farmsen und Berne mit der neuen Technik ausgerüstet. Zwei Jahre später begann im September 2024 die Ausrüstung der U4-Strecke zwischen Jungfernstieg und Elbbrücken.

Am Testgleis sind Eurobalisen, Achszähler zur Gleisfreimeldung (wohl Clearguard ACM) und Funksendemasten für CBTC zu erkennen. An der Bekassinenau befindet sich das Test-Stellwerk. Das System Trainguard MT kommt grundsätzlich ohne Gleisfreimeldeeinrichtungen aus, doch sind diese für einen Mischbetrieb mit Fahrzeugen ohne CBTC-Ausrüstung unerlässlich. Die nachfolgenden Fotos zeigen die streckenseitige Ausrüstung des Testgleises im November 2022:

Eurobalise für CBTC im Testgleis
Achszähler für CBTC im Testgleis
Funkmast am Testgleis (Access Point)
Stellwerk an der Bekassinenau

Zusätzlich befinden sich derzeit blaue Tafeln mit gelben Pfeilen am Testgleis, die bei der Eisenbahn als Signal Ne14 (ETCS-Halttafel) bezeichnet werden. Diese sind nur für die Versuchsfahrten aufgestellt worden, da die Signalstandorte im CBTC-Versuchsgleis offenbar nicht mit den reell vorhandenen (für die Versuchsfahrten als ungültig durchgekreuzten) Lichtsignalen übereinstimmen. An der Strecke werden diese später nicht benötigt, da die bestehenden Lichtsignale nicht zurückgebaut werden.

Bis 2029 werden entlang der Linien U2 und U4 insgesamt ca. 400 Balisen zur Ortung der Fahrzeuge im Gleis sowie ca. 250 Access Points zur Kommunikation zwischen Fahrzeug und Stellwerk montiert – für eine durchgehende Verbindung. Die Balisen werden auf freier Strecke einen Abstand von 250 bis 300 Metern haben, im Bahnsteigbereich sollen fünf Stück (also ca. alle 25 Meter) montiert werden.

Ausrüstung der Fahrzeuge

Auch an den Fahrzeugen sind Umrüstungen erforderlich: Jedes Fahrzeug erhält zwei Bordcomputer, zwei Displays, zwei Balisenantennen, vier Kommunikationsantennen, elf Kilometer neue Kabel und rund 5.000 Kabelanschlusspunkte. Dazu kommen nötige Software-Updates. Im Mittelwagen entfallen zwei der vier Sitzbänke an den Wagenübergängen zugunsten nötiger Technik-Einbauräume.

Umbauten für die funkbasierte Zugbeeinflussung an den DT5-Fahrzeugen – Skizze: HOCHBAHN

Bei den in Hamburg hochgerüsteten Prototypen unterschied sich die Ausrüstung zunächst noch vom späteren Serienumbau, inzwischen sind die Fahrzeuge angeglichen. Zunächst erhielten die Fahrzeuge quasi aufgesetzte Fahrzeugantennen, die in einem weiteren Stadium mit einer Verblendung versehen wurden. Zunächst war auch der neue Bildschirm für CBTC mittig mit einem dickeren Rahmen eingefasst:

DT5 420 mit aufgesetzten Antennen, 2023
Umgebauter Fahrerstand mit Diensthandy-Ladeschale (links), grünem Automatik-Startknopf und Fahrerdisplay. – Grafik: HOCHBAHN

Der Serienumbau erfolgt bei ALSTOM in Salzgitter und dauert vier Wochen. Anschließend werden die Züge in Hamburg noch getestet und wieder in Betrieb genommen. Alle zwei Wochen werden zwei Fahrzeuge zwischen Hamburg und Salzgitter ausgetauscht. Die nachfolgenden Bilder zeigen den Serienumbau, der seit 2024 läuft.

Einer von zwei Technikschränken im DT5-Mittelwagen
Überarbeiteter DT5-Fahrerraum, 2025

Die hochgerüsteten Fahrzeuge werden seit dem 23. September 2024 mit abgeschaltetem CBTC gemischt mit nicht hochgerüsteten Fahrzeugen im Fahrgastbetrieb eingesetzt.

Zu Beginn einer Fahrt unter der neuen Zugsicherung steht die halbautomatische Fahrt erst nach dem Passieren der zweiten Balise zur Verfügung, da der Zug zunächst ermitteln muss, wo er überhaupt ist. Sobald der Fahr- und Bremshebel in Nullstellung ist, kann der grün blinkende Startknopf gedrückt werden, sodass die halbautomatische Fahrt startet. Befindet sich das Fahrzeug außerhalb der CBTC-Strecken oder ist CBTC abgeschaltet (z.B. durch den Störschalter oder derzeit durch die Werkstatt), ist das mittige Display wie oben abgebildet abgeschaltet. Am Fahrsimulator zeigt das Display im CBTC-Streckenbereich Folgendes an:

Blick auf das neue Fahrerdisplay in der Mitte (Simulatorfahrt in Betriebsart AM-C)

Die folgende Erklärung bezieht sich auf den aktuellen Softwarestand – die Darstellung ist noch nicht in allen Punkten final.

Links wird der Tacho angezeigt. Die angezeigte Höchstgeschwindigkeit von 140 km/h wird ein DT5 nie erreichen – die Skala wird nach Angaben der Firma SIEMENS noch vor der finalen Inbetriebnahme entsprechend herabgesetzt. Im Feld unten links können Nachrichten angezeigt werden, wie zum Beginn einer Fahrt. Die rote Nadel zeigt die Geschwindigkeit an, bei der der Zug automatisch eine Zwangsbremsung auslöst. Die Anzeige AM-C weist auf den automatischen Betrieb hin. In der oberen Zeile kann auch „SM-C“ stehen, wenn der Zug signalgeführt von Hand gefahren wird. CM steht für den Kuppelmodus.

Übernimmt der Zugfahrer während des CBTC-Betriebs die Zugfahrt, wird ihm die empfohlene Geschwindigkeit mit einer gelben Nadel angezeigt. Nähert sich der Zug dem Ende seiner Fahrberechtigung (sogenannte Movement Authority), z.B. wegen eines vorausfahrenden Zuges, bewegen sich beide Nadeln der Bremskurven entsprechend in Richtung 0 km/h bzw. in Richtung der nächsten Zielgeschwindigkeit bei Geschwindigkeitswechseln. Jedenfalls dauerhafte Langsamfahrstellen sind im Streckenprofil hinterlegt.

Auf der rechten Hälfte wird oben die nächste Haltestelle mit dem Zielgleis angezeigt. Darunter wird die nächste Zielgeschwindigkeit angeben, in diesem Fall 0 km/h, da die Movement Authority in 730 Metern endet. Darunter wird angezeigt, wie weit der Fahrweg gesichert ist.

Zeitplan und Ausblick

Seit September 2022 wurde das Testgleis zwischen Farmsen und Berne für die Versuchsfahrten hochgerüstet. Seit September 2024 wird die U4-Strecke zwischen Elbbrücken und Jungfernstieg ausgerüstet. Ab Frühjahr 2026 sollen hier erste Probefahrten stattfinden. Fahrgastzüge sollen ab dem 4. Quartal 2026 auf der südwestlichen U4 mit CBTC halbautomatisch fahren.

Direkt im Anschluss folgt bis zum 4. Quartal 2027 die Strecke zwischen Christuskirche und Horner Geest, sodass pünktlich zur Inbetriebnahme der U4-Verlängerung ein 100 Sekunden-Takt technisch möglich sein wird. Der restliche Abschnitt zwischen Horner Rennbahn und Mümmelmannsberg soll bis zum 4. Quartal 2029 in Betrieb genommen werden. Dieser Abschnitt umfasst auch die Betriebswerkstatt Billstedt mit ihrer großen Abstellanlage.

Der nördliche U2-Abschnitt zwischen Christuskirche und Niendorf Nord soll nach aktuellen Planungen nicht vor 2029 hochgerüstet werden. Für die Linien U1 und U3 gibt es derzeit keine Bestrebungen einer Hochrüstung auf CBTC.

Auf der Linie U3 fahren bisher nur in der morgendlichen Hauptverkehrszeit für eine kurze Zeit vier Züge pro 10 Minuten im Ring, nachmittags sind es (je nach Jahreszeit) zwei bis drei. Kapazitätssteigerungen sind hier noch durch zusätzliche Züge möglich. Parallel plant die HOCHBAHN die Verlängerung der Bahnsteige entlang der U3 auf 120 Meter, sodass die Kapazität allein hierdurch um 50 Prozent angehoben werden kann. Aufgrund der kurzen Bahnsteige kommen heute nur Züge mit einer Länge von 80 Metern zum Einsatz. Die Arbeiten hierfür werden bis Mitte der 2030er-Jahre andauern.

Auch auf der Linie U1 wird die technisch mögliche Zugdichte heute noch nicht ausgereizt. Dort werden jedoch derzeit ältere Stellwerke durch neue elektronische Stellwerke (Siemens SICAS ECC) ersetzt. Diese dürften für eine spätere Digitalisierung des U-Bahnbetriebs geeignet sein.