Auf Aktionismus folgte Realismus: Die Deutsche Bahn musste einräumen, dass ihre ursprünglichen Pläne nicht haltbar sind: Für die bis 2030 geplanten Generalsanierungen fehlen sowohl Planungs- als auch Baukapazitäten. Stattdessen sollen die Projekte nun auf einen längeren Zeitraum gestreckt werden – ein Kurswechsel, dem der Bund inzwischen zugestimmt hat. Für Hamburg heißt das: Die S4 wird sich höchstwahrscheinlich weiter verzögern. Zugeben möchte das die Bahn aber bisher nicht.
Kaum Fortschritte bei Bau und Planfeststellung
Schon länger bestehen Zweifel daran, dass die S4 schon im Dezember 2027 bis Rahlstedt verkehren kann. Das Kreuzungsbauwerk am Bahnhof Hasselbrook hat deutlichen Bauverzug und auch sonst ist der Baufortschritt überschaubar. Gut zwei Jahre vor der geplanten Teilinbetriebnahme ist von vier neuen S-Bahnhöfen, zwei umgebauten Bahnhöfen und dem Abriss des alten Bahnhofs Wandsbek nichts zu sehen. Dazu müssen auch Über- und Unterführungen neu gebaut oder angepasst werden. Hinzu kommt: Für den Planfeststellungsabschnitt 2 (Luetkensallee – Landesgrenze HH/SH) fehlt bis heute der Planfeststellungsbeschluss, ebenso für den Planfeststellungsabschnitt 3 (Landesgrenze HH/SH – Ahrensburg).
Der Planfeststellungsbeschluss für den zweiten Bauabschnitt werde noch diesen Herbst erwartet. Zum sportlich engen Zeitrahmen von nur noch zwei Jahren kommt ein Problem hinzu: Die ursprünglich für das zweite Halbjahr 2027 geplante Vollsperrung der Bahnstrecke Hamburg – Lübeck wird um ein Jahr ins zweite Halbjahr 2028 verschoben. Die Vollsperrung sollte Bauarbeiten beschleunigen und provisorische Lösungen wie einen Behelfsbahnsteig in Rahlstedt überflüssig machen.
Verzögerungen bei Stellwerksinbetriebnahmen
Außerdem gibt es Verzögerungen bei der Inbetriebnahme des neuen elektronischen Stellwerks in Wandsbek. Es wird nicht vor Oktober 2026 in Betrieb gehen können. Das hänge laut Auskunft des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage von Ole Buschhüter (SPD) mit Planungsverzögerungen bei den Stellwerken Hamburg Hauptbahnhof und Rothenburgsort zusammen, auf die das ESTW Wandsbek aufbaue. Die Inbetriebnahme des neuen Stellwerks Rothenburgsort sei vor der bis April 2026 laufenden Generalsanierung der Berliner Strecke nicht mehr möglich gewesen.
Der Stellwerkshersteller Siemens schreibt einen sechsmonatigen Abstand bei den Inbetriebnahmen vor, um die neue Software auf dauerhaft fehlerfreie Funktionsfähigkeit zu überprüfen. Da die Lübecker Strecke außerdem nun als Umleitungsstrecke benötigt werde, könnten keine weiteren Maßnahmen für die Inbetriebnahme des ESTW Wandsbek durchgeführt werden. Die verzögerte Stellwerksinbetriebnahme wirkt sich in der Folge auf den weiteren Gleisbau für die S4 aus, da die Fernbahn derzeit zwischen Hasselbrook und Wandsbek die künftigen S4-Gleise nutzt. Und – „Überraschung“: Die Rückverschwenkung auf die Ursprungstrasse hängt von der Stellwerksinbetriebnahme ab.
Die Bahn schweigt – doch der Zeitplan bröckelt
Die Deutsche Bahn möchte sich auf Anfrage weiterhin nicht zu möglichen Verzögerungen aufgrund der verschobenen Generalsanierung äußern. Man würde die geänderte Sachlage nun genau überprüfen und die Öffentlichkeit informieren, sobald man weiß, welche Auswirkungen das auf den Bau der S4 haben werde. Dabei dürfte allen Beteiligten längst klar sein: Nach den Verzögerungen im Planfeststellungsabschnitt 1 dürfte der Zeitplan spätestens jetzt nicht mehr einzuhalten sein.
Die weiteren Generalsanierungen im Norden im Überblick
Nicht nur die Generalsanierung der Strecke Hamburg – Lübeck hat sich verschoben, sondern auch die der Strecke Hamburg – Bremen. Außerdem wurde die Strecke Hamburg – Flensburg ins Programm aufgenommen:
Strecke | Neuer Zeitplan | Bisheriger Zeitplan |
---|---|---|
Hamburg – Lübeck | 2. Halbjahr 2028 | 2. Halbjahr 2027 |
Hamburg – Hannover | 1. Halbjahr 2029 | 1. Halbjahr 2029 |
Hamburg – Bremen | 1. Halbjahr 2031 | 1. Halbjahr 2028 |
Hamburg – Flensburg | 1. Halbjahr 2036 | nicht berücksichtigt |
Titelbild: Eine S-Bahn der Linie S1 an der Baustelle in Hasselbrook im Juni 2025.