Aktualisiert • Wie die HOCHBAHN heute bekanntgegeben hat, hat sich Alstom im 2020 gestarteten Ausschreibungsverfahren durchsetzen können – vier Bieter waren im Rennen. Im ersten Abruf aus dem Rahmenvertrag werden 48 Fahrzeuge bestellt, die ab 2028 ausgeliefert werden sollen. Insgesamt können bis zu 254 Fahrzeuge für das Bestandsnetz mit Fahrerstand (DT6-F) und 120 vollautomatische Fahrzeuge für die neue U-Bahnlinie U5 (DT6-A) beschafft werden. Der Auftrag erstreckt sich auch auf das Betriebsführungssystem für die U5 und die notwendige Werkstattausrüstung zur Instandhaltung der Fahrzeuge.
Bei der Ausschreibung spielte besonders das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle – über die gesamte Wertschöpfungskette. Dieser werde bei der Angebotsbewertung neben Wirtschaftlichkeit und technischer Leistungsfähigkeit beachtet. Dazu gehören die Kriterien Gewicht, Energiebedarf und Lieferketten. Die Recyclingquote soll bei mindestens 94% liegen.
Insgesamt sollen Einzelaufträge für die Varianten DT6-F und DT6-A für einen Liefertakt von bis zu 20 Fahrzeugen im Jahr gebildet werden. Der erste Abruf mit einem Investitionsvolumen von 670 Millionen Euro wird 48 Fahrzeuge umfassen, sieben DT6-A und 41 DT6-F, sowie CBTC-Technik für die U5-Ost. Der Preis der Fahrzeuge soll bei unter 6 Millionen pro Stück liegen. Der DT5 kostete zuletzt rund 4,5 Millionen Euro pro Fahrzeug. Die ersten DT6-Fahrzeuge würden aufgrund der anfänglichen Kosten teurer sein, als spätere Serienfahrzeuge. Der Bau soll im Jahr 2026 am Alstom-Standort in Salzgitter beginnen, die ersten Fahrzeuge sollen ab Anfang 2028 im Fahrgastbetrieb eingesetzt werden. Die Auslieferung der bis zu 374 Fahrzeuge soll sich bis 2048 erstrecken und ein Auftragsvolumen von insgesamt bis zu 2,8 Milliarden Euro umfassen – auch hier: U5-Technik mit eingerechnet.
Die DT6 werden im Bestandsnetz die zwischen 1988 und 2005 ausgelieferten 126 DT4-Fahrzeuge nach und nach ersetzen, aber auch den Fuhrpark ergänzen, und künftig auf allen Linien anzutreffen sein.
Vierter Wagen pro Fahrzeug ermöglicht breitere Wagenkästen
Die DT6 werden wie der DT5 ebenfalls eine Länge von 40 Metern haben und ebenfalls aus Edelstahl gebaut, doch bestehen die Fahrzeuge aus vier statt drei Wagen. Durch die kürzeren Wagenkästen können diese breiter werden, auch der Abstand zu den Bahnsteigkanten kann reduziert werden. Die Fahrzeuge werden mit 2,73 Metern noch einmal 13 Zentimeter breiter sein als alle Vorgängergenerationen – der DT5 ist nur 2,60 Meter breit. Das wird einerseits durch den vierten Wagenkasten auf der Länge von 40 Metern möglich (+4 cm), als auch durch weitere Optimierungen sowie den Ersatz von Sicherheitszuschlägen durch präzise Nachweisrechnungen (+9 cm). Im Einstiegsbereich werden die DT6 zwei Zentimeter breiter werden und so mobilitätseingeschränkten Fahrgästen einen einfacheren Einstieg ermöglichen. Um diese Berechnungen zu bestätigen, wurde ein DT5-Fahrzeug künstlich mittels Styropor auf eine Breite von 2,80 Metern vergrößert – selbst das passte, von einem Gebüsch abgesehen…
Neue Akzente im Innenraum
Die Fahrzeuge orientieren sich optisch stark am DT5, werden aber im Innenraum neue Akzente setzen. So werden zum Beispiel komplett aus Glas bestehende Türen eingebaut. Die Sitze werden sowohl klassisch in Vierergruppen, als auch in Längsrichtung angeordnet sein. Daneben wird es auch erstmals einen interaktiven Netzplan im Fahrzeug geben. Auch die DT6 werden Klimaanlagen und USB-Ladepunkte erhalten.
Aus dem Designkonzept vom büro+staubach entstand nach Beobachtungen in der „realen Welt“, wie sich Fahrgäste verhalten, ein Mock-Up in Potsdam-Babelsberg, wo Fahrgäste und Verbände das neue Innenraumdesign testen konnten.
Der Fahrgastraum soll sich künftig in vier Zonen aufteilen: Nah an den Türen wird es Mehrzweckbereiche für hohen Platzbedarf geben. Ein türnaher Aufenthaltsraum und Sitzplätze in Türnähe sind für Fahrgäste mit kurzen Aufenthaltszeiten geplant. Die klassischen Vierergruppen hingegen richten sich an Fahrgäste mit längeren Fahrzeiten. Hinter jeder Tür soll ein passendes Angebot geschaffen werden.
Die HOCHBAHN verspricht ein neues Beleuchtungssystem und ein besseres Fahrgastinformationssystem: 42 Bildschirme über den Türen und auch an den Rollstuhlplätzen sollen allen Fahrgästen die Orientierung ermöglichen. Sie sollen künftig nur noch informieren – Fahrgastfernsehen wird es nicht mehr geben. Über den Türen sollen Anschlussinformationen angezeigt werden. Werbung wird es im Fahrzeug künftig gar nicht mehr geben.
Bau in zwei Varianten: DT6-A und DT6-F
Die DT6-Fahrzeuge sollen in zwei verschiedenen Varianten gebaut werden: Einerseits als vollautomatischer Zug für die Linie U5 („DT6-A“) und andererseits für das Bestandsnetz mit Fahrerständen („DT6-F“). Die U5-Fahrzeuge besitzen keinen konventionellen Fahrerstand, sodass mehr Platz für Fahrgäste bleibt.
Durch ein zusätzliches Drehgestell kann unter Beachtung der maximalen Achslast von 10 Tonnen die Nutzlast und damit Kapazität des Fahrzeugs weiter erhöht werden. Ein aus drei Fahrzeugen bestehender Zug kann 840 Fahrgäste im Bestandsnetz bzw. 900 Fahrgäste auf der U5 befördern – das sind 60 Plätze mehr pro Einzelfahrzeug als beim DT5, wenngleich jeweils 30 Sitzplätze entfallen. Klappsitze wird es nicht mehr geben, da sie Nutzerkonflikte verursachten.
Blick in den DT6-A: Statt eines Fahrerstandes werden an der Spitze vier Sitzplätze vorhanden sein. Stichwort Sitzplätze: Die Anzahl pro Fahrzeug sinkt durch die Längssitze, zusätzlichen Stehplätze und Mehrzweckbereiche von 96 beim DT5 auf nun nur noch 58 im DT6-F, bzw. 66 im DT6-A. Das ist mit Blick auf die alternde Gesellschaft ein Kompromiss: Gerade in Außenbereichen mit längeren Reisezeiten werden Sitzplätze verfügbar sein, im Innenstadtbereich könnte es enger werden. Dafür betrage die durchschnittliche Reisezeit auch nur 8 Minuten.
Durch die Erhöhung der Stehplatzkapazität, insbesondere auch in den Türbereichen, sollen die Haltezeiten auch mit weiter steigenden Fahrgastzahlen gehalten werden. In den Bestandsfahrzeugen seien oft freie Sitzplätze durch enge Gänge nicht erreichbar…
Digitaler U-Bahn-Betrieb über CBTC
Während die S-Bahn ihren Betrieb mit dem neuen europäischen Zugsicherungssystem ETCS fit für die Zukunft macht, wird der DT6 mit dem sogenannten „Communication Based Train Control“-System, kurz CBTC, ausgerüstet. Die DT6-F sollen für einen teilautomatisierten Betrieb (GoA2) ausgerüstet werden, die DT6-A verständlicherweise für den vollautomatischen Betrieb (GoA4).
Betriebsführungssystem für die U5
Im ausgeschriebenen Gesamtpaket war nicht nur die Lieferung, Erprobung und Inbetriebsetzung der neuen DT6-Fahrzeuge ausgeschrieben, sondern auch das Betriebsführungssystem für die neue vollautomatische Linie U5.
Konkret umfasst der Auftrag die „umfassende voll funktionstüchtige Entwicklung, Dokumentation, Implementierung, Installation, Integration/Validierung, Inbetriebnahme und Abnahme des Betriebsführungssystems (BFS) für den fahrer- und begleiterlosen Fahrbetrieb (GoA4) der U5.“ Das BFS umfasse „sämtliche Systeme und deren Anlagen, die für die vollautomatische Betriebsführung (GoA4) bei der HOCHBAHN erforderlich sind, insbesondere das Automatisierungssystem ATC inkl. der DT6-A-Fahrzeugausrüstung, Bahnsteig- und Bahnsteigabschlusstüren, Sprechstellen für die Fahrgastkommunikation, Anlagen für die Fahrgastinformation, die Videoüberwachung, das Gebäudemanagement und die Energiesteuerung, das Zutrittsmanagement, Betriebs-, Mobil- und BOS-Funk und die Netzwerke für die Datenkommunikation.“
Seit über 60 Jahren: U-Bahnen aus Salzgitter
Die HOCHBAHN kann auch bei diesem Auftrag auf langjährige Erfahrungen mit Alstom setzen: Alstom bzw. zuvor Linke-Hofmann-Busch (LHB) beliefern die HOCHBAHN schon seit über 60 Jahren mit Neufahrzeugen, die das Stadtbild jeweils über Jahrzehnte prägten bzw. prägen. Derzeit läuft in Salzgitter auch die Ausrüstung der DT5-Bestandsflotte mit der CBTC-Technik für den teilautomatischen GoA2-Betrieb auf den Linien U2 und U4 („U-Bahn100“). Die DT6 werden in Deutschland gebaut und auch zahlreiche Arbeitsplätze an den Alstom-Standorten Salzgitter und Hennigsdorf sichern.
Der Zuschlag wurde bereits ohne Nennung eines Auftragnehmers vor wenigen Wochen über das EU-Amtsblatt bekanntgemacht.
Alle Visualisierungen: HOCHBAHN und Alstom/Advanced & Creative Design