Am 1. Januar um 0:01 Uhr war es so weit: Die neue Berliner S-Bahn-Generation aus dem Hause Stadler/Siemens hat auf der Linie S47 den Betrieb aufgenommen. Zunächst fünf zweiteilige (BR 483) und fünf vierteilige Züge (BR 484) wurden ausgeliefert. Ein Rückblick auf den Entstehungsprozess.
Vor fünf Jahren erhielt die S-Bahn Berlin den Zuschlag für den Betrieb des S-Bahn-Teilnetzes Ring/Südost für die Jahre 2021 bis 2035. Auf Basis des neuen Verkehrsvertrags wurden 382 neue S-Bahn-Wagen beim Herstellerkonsortium Stadler/Siemens bestellt, hierbei handelt es sich um 85 Halbzüge und 21 Viertelzüge. Die Inbetriebnahme erfolgt schrittweise bis zum Jahr 2023.
Neben mehr Stauraum unter den Sitzen, Seitenanzeigen für Fahrgastinformationen nach innen und außen und „Komfortsitzen“ wird erstmals eine Videoüberwachung und Klimaanlage eingebaut. Die Türen schließen selbstständig nach Abschluss des Fahrgastwechsels.
Oktober 2016: Ein Mock-up wird präsentiert
Noch im Oktober wurde im S-Bahn-Werk Schöneweide ein 1:1-Modell eines neuen Endwagens präsentiert. Im Innenraum sind soweit möglich Originalteile verbaut worden, einige Türen sogar voll funktionsfähig.
Etwa 400 repräsentativ ausgewählte Fahrgäste sowie Vertreter von Verbänden testeten das Fahrzeugmodell, das Feedback floss noch in die Entwicklung ein. Im Frühjahr 2017 konnte auch die interessierte Öffentlichkeit sich ein Bild des Modells machen.
Später im Jahr wurde bekannt, auch die Baureihe 481/482 zu modernisieren, und der neuen S-Bahn-Generation anzugleichen.
September 2017: Die Fertigung hat begonnen
Im Rahmen eines Tages der offenen Tür bei Stadler in Pankow wurde der erste Wagenkasten der neuen S-Bahn vorgestellt.
Im Juli 2018 kann bei Stadler in Pankow der erste fertige Halbzug der Baureihe 484 vorgestellt werden, welcher wenig später in Velten in Betrieb gesetzt wurde.
September 2018: Vorstellung auf der Innotrans
Pünktlich zur Innotrans wurde der zweite Triebzug 484 002 vom 18. bis 23. September vorgestellt.
Dabei wurde auch das neue Fahrgastinformationssystem live demonstriert, welches zum einen die nächsten Stationen mit ihren Ankunftszeiten zeigt, zum anderen die Anschlüsse an der nächsten Station in Echtzeit.
Die Halbzüge haben jeweils an den Mehrzweckbereichen in der Zugmitte Glastüren, welche bei Bedarf verschlossen werden können, sodass nicht der gesamte Halbzug geräumt werden muss. Eindrücke aus dem Innenraum liefert die Galerie, die Bilder lassen sich per Klick vergrößern.
Im Anschluss begannen bei Siemens in Wegberg-Wildenrath die ersten Probefahrten der neuen S-Bahn. Bis April 2019 wurden so schon über 2000 Kilometer zurückgelegt. Im Juni 2019 erreichte mit dem Viertelzug 483 004 das erste Neubaufahrzeug das S-Bahnwerk Schöneweide. Am 9. September 2019 wurde die erste Probefahrt im S-Bahn-Netz absolviert. Parallel dazu wurde ein Halbzug in der Wiener Klimakammer insgesamt zwölf Wochen lang extremen Wetter und Temperaturen ausgesetzt – von -25 bis +45 Grad.
Oktober 2019: Erster modernisierter Viertelzug der Baureihe 481 geht in den Betrieb
Angelehnt an die neue S-Bahn-Generation erhalten 309 der 500 Viertelzüge im Rahmen des Projekts Langlebigkeit eine Sanierung und Modernisierung. Dabei werden die Züge in den Farben der Baureihe 483/484 lackiert und das neue Innenraumdesign übernommen. Dabei wird auch eine Videoüberwachung nachgerüstet. Das Fahrgastinformationssystem wird wie die Türtechnik selbst jedoch nicht verändert. Die Modernisierung soll bis 2024 abgeschlossen werden und wird von den Aufgabenträgern im Rahmen eines Interim-Verkehrsvertrags übernommen.
Januar 2020: Probefahrten auch tagsüber
Ende Januar 2020 wurden die ersten Probefahrten auch tagsüber im S-Bahn-Netz durchgeführt. Als Teststrecke diente vornehmlich die nicht von Fahrgastzügen bediente Strecke zwischen den Bahnhöfen Flughafen Berlin-Schönefeld (heute BER T5) und Flughafen BER (heute BER T1-2).
Vom 27. bis 30. März legten zwei Viertelzüge in mehr als 50 Stunden Dauerbetrieb auf der Ringbahn 1850 Kilometer zurück. Ab Mai 2020 kamen die Neubaufahrzeuge als 6 Wagen-Züge zum Einsatz, hierfür erhielten sie große Aufkleber mit Sprüchen wie „Ich bin’s, deine Neue“. Im August 2020 konnte der Probebetrieb mit insgesamt 160.000 Testkilometern wie geplant abgeschlossen werden. Bilder vom Probebetrieb sind im Fotoblog „Die Bahnfotografen“ zu sehen.
Im Oktober 2020 erhielt die neue Berliner S-Bahn ihre Zulassung für den Einsatz im Personenverkehr durch das Eisenbahn-Bundesamt.
1. Januar 2021: Betriebsstart auf der S47
Pünktlich am 1. Januar 2021 startete der erste Dreiviertelzug der neuen S-Bahn-Generation auf der S47 zwischen Hermannstraße – Schöneweide – Spindlersfeld.
Die nachfolgende Grafik bietet einen Vergleich der modernisierten Baureihe 481 (links) und der neuen Baureihe 483/484 (rechts):
Weitere Aufnahmen vom zweiten Betriebstag gibt es im Fotoblog „Die Bahnfotografen“.
Die neuen Fahrzeuge zeichnen sich durch eine hohe Laufruhe aus. An die genormten Türtöne wird sich das Berliner Ohr noch gewöhnen müssen. Die Stationsansagen wirkten zum Betriebsstart noch wie eine Beta-Version, zwischen jedem Textbaustein ist drei Sekunden Ruhe. Erstmals kommt auch in Berlin die bereits bundesweit bei der DB eingesetzte weibliche Stimme für englische Ansagen zum Einsatz, sie sagt derzeit bei jeder Station auch auf englisch die Ausstiegsseite an. Die Züge kommen derzeit nur als Dreiviertelzug zum Einsatz, nach Nummern „sortiert“.
Zum Abschluss noch ein Video der neuen Baureihe:
Der weitere Zeitplan
Die nächsten Fahrzeuge sollen erst ab Sommer 2022 zum Einsatz kommen. Die Züge sollen auf folgenden Strecken zum Einsatz kommen:
Linie | Strecke | Zugkonfiguration | Start |
S47 | Spindlersfeld – Hermannstraße | 483 + 484 | 01/2021 |
S46 | Königs Wusterhausen – Hauptbahnhof | 484 + 484 | 07/2022 |
S8 | Wildau – Grünau – Hohen Neuendorf | 483 + 484 | 10/2022 |
S41 S42 | Ringbahn | 484 + 484 | 04/2023 10/2023 |
Die Ausschreibung der anderen beiden Teilnetze der Berliner S-Bahn ist mit einigem Verzug inzwischen gestartet worden. Dabei wird wieder eine Neuentwicklung erforderlich werden – die Züge der Baureihe 483/484 erfüllen nicht die geforderten Kriterien.