hvv schafft Barverkauf im Bus im Herbst 2023 ab

Der hvv gab heute auf einer Pressekonferenz bekannt, dass ab Herbst 2023 in Bussen im Tarifgebiet Hamburg AB keine Fahrkarten mehr mit Bargeld erworben werden können. Als Ersatz wird dafür bereits ab Herbst diesen Jahres die „hvv Prepaid Card“ eingeführt. Angeschoben wurde das Projekt von den Verkehrsbetrieben Hamburg-Holstein (VHH). DT5 Online beantwortet die wichtigsten Fragen.

Wo erhalte ich eine Prepaid-Karte?

Die Prepaid-Karten werden ab Oktober 2022 sowohl in den hvv-Servicestellen, als auch bei Lekkerland-Vertriebspartnern, also diversen Kiosken, Rewe-, Penny- und Toom-Märkten, aber auch in Tankstellenshops im Geschenkkartensortiment zu finden sein – an insgesamt über 1000 Standorten. Dadurch soll der Zugang zum neuen Bezahlsystem möglichst niederschwellig sein.

Außerdem sollen die Fahrkartenautomaten entsprechend ausgerüstet werden, dass auch diese die Prepaid-Karten ausgeben können.

Wie lade ich das Guthaben auf?

Die Karten können in den entsprechenden Verkaufsstellen sowie an den hvv-Fahrkartenautomaten aufgeladen werden, und zwar mit einem Betrag zwischen 5 und 150 Euro.

Das Guthaben kann über die hvv Servicestellen wieder ausgezahlt werden, die Karte muss dabei nicht zwangsläufig zurückgegeben werden.

Wo kann künftig nicht mehr bar bezahlt werden?

Die Möglichkeit, Fahrkarten bar zu bezahlen, entfällt nur in den HOCHBAHN- und VHH-Bussen im Tarifgebiet Hamburg AB. Die Prepaid Card kann jedoch im gesamten Verbundgebiet zum Bezahlen genutzt werden.

Im übrigen Verbundgebiet bleibt die Barzahlung im Bus weiterhin möglich. Die Abschaffung des Barverkaufs wird erst zu einem späteren Zeitpunkt erwogen, da die Versorgung mit den Prepaid-Karten sichergestellt werden müsse. Das ginge in einer Stadt wie Hamburg wesentlich leichter.

Die Anzahl betroffener Kunden stellt übrigens die deutliche Minderheit dar: Im Jahr 2020 wurden laut Angaben des hvv nur etwa 12,1% aller Fahrkarten bar bezahlt.

Wie funktioniert der Kauf von Fahrkarten über die Prepaid Card?

In den Bussen der HOCHBAHN und VHH sind bereits Lesegeräte („PVS-Terminals“) in den vorderen Einstiegen für die hvv Card angebracht worden. Über diese Geräte wird künftig der Verkauf der Fahrscheine abgewickelt. Der Fahrgast hält seine Prepaid-Karte an das Lesegerät, auf welchem dann je nach Standort eine passende Auswahl an Fahrkarten angezeigt wird. Nach der Auswahl hält er die Karte ein zweites Mal an das Gerät, und die Fahrkarte wird – wie bei der hvv Card – „auf die Karte geladen“.

Es wird davon ausgegangen, dass die Kunden davon nicht überfordert würden, so hvv-Geschäftsführer Dietrich Hartmann. Schon heute wüssten viele Gelegenheitsfahrer, dass sie eine Kurzstrecke, oder die 3,40€-Fahrkarte haben wollen. Genau diese werden sie auf den PVS-Geräten wiederfinden. Bei Unsicherheiten könne das Fahrpersonal nach wie vor weiterhelfen.

Der Kauf wird in einer Cloudanwendung gespeichert, sodass sowohl der Kunde, als auch das Prüfpersonal sehen können, welche Fahrkarte aktuell gültig ist. Die hvv Prepaid Card wird so zum gültigen Fahrausweis. Es können auch unproblematisch mehrere Fahrscheine gleichzeitig mit einer Prepaid Card gekauft werden.

Die Karte ist nicht personenbezogen und kann daher ohne Einschränkungen an andere Personen weitergegeben werden. So können Eltern z.B. ihren Kindern spontane Busfahrten ermöglichen. Auch könnten Hotels perspektivisch ihren Gästen direkt hvv Prepaid Cards zur Nutzung ausgeben. Über eine entsprechende App oder am Fahrkartenautomaten kann das Restguthaben abgefragt werden, ebenso wird es vor dem Kauf am PVS-Terminal angezeigt.

Das direkte Bezahlen per Kreditkarte oder Handy, wie es z.B. in London oder New York möglich ist, ist nicht jedoch vorgesehen.

Warum wird der Barverkauf überhaut abgeschafft?

Die Gründe, den Barverkauf im Bus abzuschaffen, sind vielfältig: Zum einen möchte der Verbund die subjektive Sicherheit des Fahrpersonals, besonders in den Abend- und Nachtstunden erhöhen. Ohne Bargeld wird so das Überfallrisiko signifikant gesenkt. Andererseits sollen die Busse dadurch pünktlicher werden: Toralf Müller, Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Hamburg-Holstein, erklärte, dass pro Haltestelle ein Aufenthalt von 20 Sekunden im Fahrplan eingeplant sei. Sobald der Fahrgast sein Kleingeld erst zusammensucht, verspäte sich der Bus bereits – ein Ärgernis für die anderen Fahrgäste. Während der Kunde seine Fahrkarte am PVS-Terminal kauft, kann der Fahrer den Verkehr bereits beobachten und so die Haltestelle schneller als bislang verlassen. Das führe zu minimalen Fahrzeitgewinnen, dafür aber umso mehr zu Stabilisierung des Betriebs, so Verkehrssenator Anjes Tjarks (GRÜNE)

Außerdem sollen durch die Digitalisierung auch Kosten eingespart werden, dazu gehören die Kosten für die Bargeldtransporte. Aber auch das Fahrpersonal spart Zeit, da das Abrechnen der Kasse, Einzahlen und Wechseln des Bargeldes wegfällt.

Schließlich ist der Verzicht auf das Bargeld, nicht zuletzt inmitten einer Pandemie, ein Hygienefaktor. In Deutschland wird das kontaktlose Bezahlen immer beliebter – das ist heute noch nicht an allen Fahrkartenautomaten und im Bus sogar gar nicht möglich.

Welche Alternativen gibt es?

Neben der hvv Prepaid Karte ist die Bezahlung weiterhin über die Apps (hvv, hvv switch, DB Navigator) und über das demnächst startende hvv any (Check-in, be out über die hvv switch-App) möglich. Außerdem können an den hvv Fahrkartenautomaten weiterhin Papiertickets erworben werden. Auch ist die Bezahlung über die (separat erhältliche) hvv Card möglich.

Für all diese bestehenden digitalen Vertriebswege wird jedoch ein Konto benötigt, ebenso ein Smartphone mit Internetzugang und es werden persönliche Daten erhoben. Die neue hvv Prepaid Card kann komplett anonym und ohne Bankkonto genutzt werden – eben wie Bargeld. Entsprechend kann das Guthaben bei Verlust nicht erstattet werden. Sie kommt ganz ohne eigene Computer, Handys oder Internet aus und sei so auch für die ältere Generation gut geeignet.

Was kostet die Einführung?

Das Projekt hvv Prepaid Card wird vom Bundesministerium für Mobilität gefördert. Der Bund übernimmt mit 8 Millionen Euro etwa 80% aller Kosten.

Wie sieht der weitere Projektfahrplan aus?

Nach der heutigen Vorstellung der neuen hvv Prepaid Card werden nun die Senioren- und Behindertenverbände informiert. Ab Sommer 2022 lädt die hvv Mobilitätsberatung für Senioren Interessierte ein, die Prepaid Card vorab auszuprobieren, parallel starten die Verkehrsunternehmen die Kommunikation auf ihren Kanälen.

Im Herbst 2022 startet die Ausgabe der hvv Prepaid Cards und die Kommunikation in den Bussen sowie bei den Verkehrsunternehmen selbst. Ein Jahr später endet dann im Herbst 2023 der Barverkauf im Bus.

Weltneuheit?

Oft wurde in der Vergangenheit versucht, das Rad neu zu erfinden. Im Bereich Prepaid-Karte jedoch nicht. Hier wird auf bewährte Lösungen des „Account-based Ticketings“ zurückgegriffen, die weltweit schon zum Einsatz kommen, so etwa in London, Lissabon, Singapur, Wien (seit 2018), aber auch hierzulande in Aachen, Bonn, Paderborn, Mainz und Berlin (seit Oktober 2021).

Titelbild: hvv