Stream HC für NAH.SH: Verträge unterzeichnet

Vor knapp zwei Wochen wurde Alstom der Zuschlag für die Lieferung von mindestens 40 Coradia Stream HC-Triebzügen erteilt, die zehntägige Frist für Rechtsbehelfe ist abgelaufen.

Der Auftrag habe laut der gemeinsamen Pressemeldung einen Wert von 900 Millionen Euro und umfasse neben der Lieferung auch die Instandhaltung für 30 Jahre. Weitere 55 Züge könnten inkl. Wartungspaket zusätzlich bestellt werden. Anders als zunächst spekuliert werden die 4-Wagen-Züge für Schleswig-Holstein 106 Meter lang werden. Ein Einsatz in Mehrfachtraktion wird möglich sein. Die Höchstgeschwindigkeit wird 160 km/h betragen. So könnte der Zug von innen aussehen:

Möglicher Innenraum eines Alstom Coradia Stream HC für NAH.SH (Animation: Alstom Advanced & Creative Design)

Der Einsatz soll ab Dezember 2027 auf den Linien RE 7 / RE 70 Hamburg – Flensburg/Kiel und RB 61 / RB 71 Hamburg – Itzehoe (-Heide)/Wrist erfolgen. Dort lösen sie noch recht junge Fahrzeuge vom Typ Bombardier Twindexx Vario (vierteilig) und Stadler FLIRT 3 (fünf- und sechsteilig) ab. Das wirkt zunächst nicht nachhaltig, doch die FLIRT-Triebzüge der Nordbahn reichen bei den stark angestiegenen Fahrgastzahlen nicht mehr aus und die Twindexx überzeugen nicht unbedingt durch Verlässlichkeit im Betrieb. Daher sind inzwischen dauerhaft wieder lokbespannte Ersatzzüge auf dem RE 70 im Einsatz. Von einer anschließenden Verschrottung ist nicht auszugehen, jedenfalls die Twindexx-Züge dürften DB-intern andernorts unterkommen.

Ein wichtiger Meilenstein ist erreicht: Auf diesen Bahnlinien sind die meisten Menschen in Schleswig-Holstein im Nahverkehr unterwegs. Diesen Menschen müssen wir in Zukunft ein starkes Angebot machen. Dazu gehören ein verlässlicher Fahrplan und moderne, leistungsstarke Fahrzeuge, die durch ihr Design und den Fahrkomfort überzeugen. Den Rahmen dafür haben wir jetzt geschaffen und setzen damit ein klares Signal für die Verkehrswende im echten Norden.

Claus Ruhe Madsen (CDU), Verkehrsminister in Schleswig-Holstein

Die neuen Alstom Coradia Steam HC für NAH.SH sollen je nach Teilnetz 360 bis 390 Fahrgästen Platz bieten. Gerade im bislang von der Nordbahn betriebenen Netz Südwest werden damit die Kapazitäten spürbar steigen. Die Steigerung von 31 auf 40 Triebzüge könnte auf eine größere Reserve oder den dauerhaften Einsatz von Doppeltraktionen auf dem RE 70 nach Kiel hindeuten.

Twindexx VarioFLIRT 3FLIRT 3Coradia Stream HC
HerstellerBombardierStadlerStadlerAlstom
FahrzeugnutzerDB RegioNordbahnNordbahnn.n.b.
Stückzahl16*7840
Fahrzeuglängeca. 104 Meter90,8 Meter106,9 Meterca. 106 Meter
Wagen pro Zug4564
Sitzplätze337259320360 / 390
*plus ein halber Triebzug. Ein halber Zug wurde infolge eines Bahnübergangsunfalls im Juli 2023 verschrottet, die beiden unbeschädigten Wagen sind weiter im Einsatz. Quelle: NAH.SH, Stadler, Alstom

Mit dem neuen Stadler KISS für die Lübecker Linien können die Züge nicht mithalten, sie bieten 402 Sitzplätze bei einer Länge von 105,2 Metern.

Neben der Option auf zusätzliche Fahrzeuge besteht noch eine Dänemark-Option für die Züge. Diese ist nötig, weil die Dänische Staatsbahn (DSB) ab 2028 mit ihren neuen Alstom Coradia Stream-Zügen, die nicht in Deutschland eingesetzt werden können, ab Tinglev nach Sønderborg und nicht mehr nach Padborg fahren will.

Kritik kommt von Verkehrsminister Madsen, er hätte sich eine stärkere Einbindung gewünscht, auch wenn die Dänen natürlich selbst entscheiden könnten, wie sie in Dänemark fahren. Die Dänemark-Option umfasse die für Dänemark nötige Ausrüstung von 23 Alstom Coradia Stream HC-Zügen. Ob der deutsche RE 7 über Flensburg bis zum neuen Knoten Tinglev verlängert wird, hänge vom dänischen Finanzministerium ab, das für die Verkehrsleistungen in Dänemark zahlen müsste. Bislang fahren Dieselzüge ab Flensburg über Padborg in Richtung Tinglev und weiter ins Landesinnere.

„Im Moment haben wir keine bessere Lösung. Wir müssen sogar hoffen und darauf setzen, dass die Dänen auch damit einverstanden sind, dass wir die Tinglev-Lösung machen.“

Claus Ruhe Madsen (CDU), Verkehrsminister in Schleswig-Holstein

Noch sei ein bisschen Überzeugungsarbeit zu leisten. Gelingt das nicht, wäre das für Madsen ein Rückschritt: Viele Menschen würden zum Arbeiten oder Studieren zwischen den beiden Ländern pendeln, das wäre künftig deutlich erschwert.

NAH.SH hat damit im dreistufigen Verfahren zur Vergabe der Netze Mitte und Süd-West einen ersten Zuschlag erteilt. Parallel läuft die Suche nach einem Unternehmen, das die Fahrzeuge finanziert und an die Betreiber vermietet. Ab dem 2. Quartal 2024 soll dann auch die Vergabe des Eisenbahnbetriebs selbst beginnen.

Grafiken: Alstom Advanced & Creative Design – Alstom weist darauf hin, dass die Grafiken nur zu Illustrationszwecken dienen und nicht Teil vertraglicher Vereinbarungen sind. Änderungen sind daher möglich. – Letzte Aktualisierung: 25.07.2023 (Sitzplatzkapazitäten nachgetragen)