Hamburg bekommt erstes volldigitales S-Bahnnetz

Aktualisiert – Der Senat hat heute mitgeteilt, Ausgaben in Höhe von 284 Millionen Euro für die Volldigitalisierung des Hamburger S-Bahnnetzes einzuplanen. Hamburg soll damit das erste volldigitalisierte Netz in Deutschland erhalten. Noch ist die Zustimmung der Hamburgischen Bürgerschaft über die entsprechende Änderung des Haushaltsplans 2025/26 erforderlich. Für das notwendige Digitale Stellwerk City hat der Bund bereits Planungsmittel in Höhe von 20 Millionen Euro bereitgestellt.

Laut Angaben des Senats sei die Hamburger S-Bahn das am schnellsten wachsende Schienenverkehrsunternehmen in Deutschland: Bis 2030 sollen durch die neuen Linien S4 (Bad Oldesloe) und S6 (Verstärkerlinie nach Harburg) sowie die Verlängerung der Linie S5 bis Kaltenkirchen der Zugverkehr um 30% wachsen. Nach Abschluss dieser Maßnahmen rechne man mit 1,1 Millionen statt 750.000 Fahrgästen täglich. Um dies bewältigen zu können, bedürfe es eines volldigitalen Betriebs.

„Mit der Volldigitalisierung der S-Bahn werden wir deutschlandweit das modernste System auf die Schiene bringen und zukunftsweisend aufstellen. Nachdem der Senat bereits viel Geld für die Erweiterung und Ertüchtigung der S-Bahn Infrastruktur in die Hand nimmt und damit vor allem die Korridore in den Süden ausbaut, werden nun auch fahrzeugseitig die Voraussetzungen geschaffen, in einen voll digitalisierten S-Bahn-Betrieb zu kommen.“

Anjes Tjarks (GRÜNE), Senator für Verkehr und Mobilitätswende

Digitale S-Bahn: Seit 2022 in Betrieb

Für den ITS-Verkehrskongress im Oktober wurden vier S-Bahnzüge der Baureihe 474 und die Strecke der S2 zwischen Berliner Tor und Aumühle digitalisiert. Die Strecke wurde mit dem neuen europäischen Zugsicherungssystem ETCS (Level 2) hochgerüstet, die Fahrzeuge wurden darüber hinaus mit Technik für den automatisierten Fahrbetrieb ATO (Automatic Train Operation) ausgestattet. Der Triebfahrzeugführer überwacht bei ATO-Fahrten die Fahrt und ist für die Türsteuerung verantwortlich. Das Fahren und Bremsen übernimmt der ATO-Computer an Bord. Seit Spätsommer 2022 werden die vier digitalen S-Bahnen im Regelbetrieb auf der Linie S2 eingesetzt.

Hochrüstung der Strecken und Fahrzeuge

Für 25 weitere Fahrzeuge ist die Digitalisierung bereits beauftragt gewesen, die 64 nachbestellten Neufahrzeuge der Baureihe 490 sind direkt mit der entsprechenden Technik bestellt worden. Nun steht auch die Digitalisierung der 169 übrigen Triebzüge der Baureihen 474 und 490 an. Hierfür werden 239 Millionen Euro investiert.

Dieses Vorhaben werde neben den Sanierungs- und Erweiterungsarbeiten an den S-Bahnkorridoren nach Harburg/Neugraben und Bergedorf realisiert, das ein Volumen von 425 Millionen Euro umfasst. Die Maßnahme auf dem Harburger Ast sei bereits in Umsetzung- Der Streckenausbau komme hier einem Neubau der gesamten Leit- und Sicherungstechnik gleich: Erstmals in Hamburg werde ETCS Level 2 ohne Signale realisiert. Neue Stellwerke, der Entfall ortsfester Signale sowie neue digitale Zugsteuerungs- und Kommunikationstechnik werde zu einer höheren Streckenkapazität führen, sodass der Betrieb einer dritten Linie möglich werde. Bis zu 30% mehr Züge könnten auf bestehenden Gleisen fahren. Im Jahr 2029 soll die Maßnahme abgeschlossen sein, und die S6 ihren Betrieb aufnehmen. Die S4 Ost soll bereits zwei Jahre früher – Ende 2027 – in Richtung Ahrensburg ihren Betrieb aufnehmen.

Um ETCS und den ATO-Betrieb auf den gesamten S-Bahnbetrieb in Hamburg auszuweiten, sei ein digitales Stellwerk (DSTW) für den Innenstadtbereich nötig. Das neue „DSTW City“ soll die bisherigen Stellwerke in Altona und am Hauptbahnhof ersetzen. Die Umrüstung der Fahrzeuge soll bis Ende 2029 / Anfang 2030 abgeschlossen sein – passend zur Inbetriebnahme der neuen Stellwerke. Eine Doppelausrüstung dieser Strecken mit ETCS und konventioneller Zugsicherungstechnik (PZB) sei wirtschaftlich nicht sinnvoll.

Baureihe 474: Länger in Betrieb

Das Digitalisierungsprojekt wirkt sich derweil auch auf die langfristige Fahrzeugplanung der S-Bahn Hamburg aus. Der Fuhrpark wird nach Auslieferung der Neufahrzeuge auf 112 Fahrzeuge der Baureihe 474 (Baujahre 1997-2007) und 146 Fahrzeuge der Baureihe 490 (Baujahre 2018-2026) anwachsen. Die Züge der Baureihe 474 sollten zum Ende des laufenden Verkehrsvertrags im Dezember 2033 abgelöst werden – ihr Einsatz werde nun aber bis in Jahr 2037 verlängert. Das entspricht auch der Verlängerungsoption des Verkehrsvertrags. Für eine optionale Lebensdauerverlängerung der Fahrzeuge sind 45 Millionen Euro eingeplant. Durch eine spätere Beschaffung der nächsten S-Bahngeneration könnten 400 Millionen Euro eingespart werden.

Die Nachfolgebaureihe 491 (Arbeitstitel) ist nicht Teil der aktuellen Betrachtungen. Das Beschaffungsprojekt soll 2026 starten, der Probebetrieb 2035 und die Einflottung ab 2036.

Die Stellwerksdigitalisierungen im Überblick

Bis Mitte der 2030er-Jahre soll auch das übrige Netz digitalisiert sein. Dazu gehören folgende Stellwerksneubauten, Erweiterungen und Hochrüstungen:

StellwerkBereichETCSPlanungsstand
ESTW OhlsdorfS1 Airport/Poppenbüttel – Landwehr
S4 Ahrensburg – Landwehr
ETCS-fähigErweiterung in Umsetzung, Hochrüstung erforderlich
ESTW BergedorfS2 Rothenburgsort – AumühleETCS Level 2 mit SignalenSeit 2020 in Betrieb, Doppelausrüstung mit PZB
ESTW HarburgS3/S5 Elbbrücken – NeugrabenETCS Level 2 ohne SignaleVorplanung für Neubau abgeschlossen, Projekterweiterung auf ETCS L2oS beschlossen, Inbetriebnahme geplant Dezember 2029
DSTW Hamburg-CityBahrenfeld / Diebsteich – Hammerbrook / Berliner Tor S2 / Landwehr inkl. InnenstadtstreckenETCS Level 2 ohne SignaleNeubau eines Stellwerks, Inbetriebnahme geplant Ende 2030
ESTW Altona WestS1 Wedel – OthmarschenETCS Level 2 ohne SignaleNeubau eines Stellwerks, Projekterweiterung auf ETCS L2oS kurz vor Beschlussfassung, Inbetriebnahme geplant Ende 2030
DSTW EidelstedtS3/S5/S6 Pinneberg – LangenfeldeETCS Level 2 ohne SignaleNeubau eines Stellwerks, ab Mitte der 2030er-Jahre
AKNS5 Eidelstedt – KaltenkirchenETCS in PrüfungAusgerüstet mit PZB, Prüfung läuft, ob ETCS Level 2 mit Signalen, Inbetriebnahme Ende 2028

Informationen zum digitalen S-Bahnbetrieb auf der Bergedorfer Strecke finden Sie > hier <.