U5: Öffentliche Anhörung im Verkehrsausschuss – eine Nachlese

Gestern Abend lud der Verkehrsausschuss zur öffentlichen Anhörung zum Thema U5 ein. Mit diesem Format wird den Bürgern die Gelegenheit gegeben, vor dem Fachausschuss zu sprechen, und damit den Abgeordneten einen zusätzlichen Input zu geben. Eine Diskussion zwischen Bürgern und Abgeordneten oder Senat findet allerdings nicht statt. Der Senat soll am 2. Februar 2023 zu den aufgeworfenen Themen Stellung beziehen.

An dieser Stelle sollen diejenigen, die nicht teilnehmen oder den Livestream ansehen konnten, zeitnah eine Möglichkeit bekommen, die Diskussion nachzuvollziehen. Die Nachlese erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und soll zum Nachdenken anregen. Ganz am Ende findet sich noch einmal eine persönliche Einordnung der vorgetragenen Argumente.

Impulse von der Senatsbank

Der Abend wurde mit einem kurzen Vortrag von Verkehrssenator Anjes Tjarks (GRÜNE) eingeleitet. Er betonte, dass in diesem Jahrtausend der Ausbau der Schiene vergleichsweise langsam voranging, auch wegen immer wieder aufflammender Stadtbahn-Diskussionen. Aktuell liefen der städtebauliche Realisierungswettbewerb für eine U-Bahn-Elbbrücke (U4 bis Moldauhafen), sowie erste Planungen für die Fortführung der U4 nach Wilhelmsburg. Ebenfalls in Prüfung sei die Nutzung der Güterumgehungsbahn Eidelstedt – Lokstedt – Barmbek – Horn – Rothenburgsort für den Personenverkehr, doch gebe es hier noch keine belastbaren Ergebnisse. Ebenso würden der Verbindungsbahnentlastungstunnel (VET) geplant und Überlegungen für eine westliche Elbquerung angestrengt. Wichtig sei es, sich nicht zu zerstreiten, was noch besser sein könnte. Es müsste auch mal etwas passieren.

Anschließend kam Klaus Uphoff, Geschäftsführer der U5-Projektgesellschaft der HOCHBAHN zu Wort. Er ging auf die Ziele der U5 ein: Der Modal Split des Nahverkehrs soll auf 30% gesteigert werden – hierfür sei die Linie notwendig. Die Linien 5 und 7 seien heute stark ausgelastet und hätten auch nach Corona weiter zugelegt. Auf beiden Linien kämen die derzeit längsten Busse vom Typ CapaCity L zum Einsatz. Nicht fehlen durften die Folien zum Thema Klimaschutz: Die U5 will 70% Co2-Emissionen gegenüber dem konventionellen Bauverfahren einsparen. Abschließend gab Herr Uphoff einen Ausblick auf die nächsten Jahre: Im kommenden Jahr soll die Entwurfsplanung der U5 für den dritten Abschnitt Jarrestraße – Arenen beginnen, ebenso die eigentlichen Bauarbeiten für die U5-Ost von der City Nord nach Bramfeld. Ab 2027 soll der Probebetrieb auf der U5 starten.

Die Beiträge aus dem Plenum im Einzelnen

Die Vorsitzende des Verkehrsausschusses Heike Sudmann (LINKE) erteilte nun nach und nach den Bürgerinnen und Bürgern im großen Festsaal im Rathaus das Wort.

Der erste Redner, ein Anwohner aus Lurup, verwies darauf, dass seinem Stadtteil seit 50 Jahren eine Schnellbahnanbindung versprochen werde, nun sei es die S32 (S6). Doch sei hier die Frage nach der Ausfädelung weiterhin offen, und das werde aufgrund der Planungen für den VET auch noch längere Zeit so bleiben. Er verwies darauf, wie kostenstabil und pünktlich die HOCHBAHN bauen könnte und fragt sich, ob man nicht von Hagenbecks Tierpark aus – wie ursprünglich geplant – eine U-Bahn nach Lurup bauen könne. Diese sei vielleicht früher fertig als eine S-Bahn.

Nächster Redner war Ingo Naefcke, der 40 Jahre lang Busfahrer in Hamburg war und sich um den Straßenbahnwagen im REWE-Parkhaus in der Dorotheenstraße kümmert. Er monierte, dass die U5 am Bedarf vorbeifahre. Wer wolle zur Sengelmannstraße? Es müssten auch mit der U5 diverse Busse weiterfahren. Schließlich kritisierte er, dass noch immer nichts von den Kosten der gesamten U5 zu hören sei.

Keine Belege für Klimaschutz-Studien

Es folgten „die drei Rentner“, wie das Abendblatt sie einst nannte: Günter Betz, Stefan Knittel und Thomas Philipp. Sie hatten bereits ein Gutachten beauftragt, das offenlegte, wie wenig klimafreundlich die neue Linie sei. Daraufhin plante die HOCHBAHN die Linie klimafreundlicher – was in diesem Sommer vorgestellt wurde. Hauptkritikpunkt des längeren Vortrags war entsprechend der Klimaschutz: Es werde Greenwashing betrieben und der Bürger in die Irre geführt. Die lpi-Studie zum Klimaschutz bei der U5 gehe von vielen Optionen und Zukunftsvisionen aus, nennt dafür aber keine Belege. Maßnahmen würden komplett fehlen. Es würde auch gar nicht genug Ökostrom produziert, um den Bau komplett hiermit zu ermöglichen. Die nächste Irreführung geschehe beim Zeitplan: Wie 2027 ein Probebetrieb starten könne, sei nicht nachvollziehbar. Aus sicherer Quelle wisse man, dass der Rohbau nicht vor 2032 fertig werde. Dann habe man über 10 Jahre an gerade einmal 5,8 Kilometern gearbeitet. Nächster Kritikpunkt waren die unnachvollziehbaren Fahrgastprognosen, und was sie eigentlich bedeuten würden. Bei verkündeten 6,1 Millionen Stunden Reisezeitersparnis jährlich würden das bei den angegebenen 270.000 Fahrgästen gerade einmal noch 4 Minuten täglich pro Fahrgast sein. Diese Fahrgastzahl entspreche 10.800 Fahrgästen täglich pro Linienkilometer, 2019 seien es im Bestandsnetz hingegen nur 6.456 Fahrgäste täglich pro Linienkilometer gewesen.

Auf der Suche nach diesen zusätzlichen Fahrgästen blickte man auf die eingesparten Autokilometer. Bei 7 Kilometern Reiseweiten und 1,3 Personen pro Fahrzeug würden eingesparte 290.000 Kilometer Autofahrten gerade einmal ca. 54.000 umsteigende Fahrgäste bedeuten. Mit der gesamten U5 würden 1,13% der Autofahrten in Hamburg eingespart. „Wird irgendjemand auf den dann immernoch verstopften Straßen merken, dass eine neue U-Bahn in Betrieb in Betrieb genommen wurde?“ fragte Philipp abschließend.

Der nächste Redner forderte, dass man schnell handeln müsste, die U5 sei hierfür aber nicht geeignet. Es habe auch kein echter Vergleich der Varianten gegeben, da man von vorn herein nur das System U-Bahn beachtet habe. Das ebenfalls schienengebundene Verkehrsmittel Stadtbahn sei von vorn herein ausgeschlossen worden. Sowohl die Klimagutachten von lpi als auch aus Innsbruck würden Einsparungen annehmen, ohne jede Quelle zu nennen. Das habe nichts mit wissenschaftlicher Arbeit zu tun. Es werde davon ausgegangen, dass Co2-Abscheidung beim Bau stattfinde, aber wohin damit? Die umliegenden Bundesländer würden damit bislang nichts zu tun haben wollen. Die Methode sei längst nicht erprobt, und das abgeschiedene Co2 müsste wohl in Hamburg in den Boden gepresst werden.

„25 gute Gründe für eine Straßenbahn“

Jens Ode von Pro Stadtbahn und dem Bündnis Nahverkehr stimmte Senator Tjarks zu: Es brauche mehr Schiene.  Er warf die Frage auf, wieso die U5 als solches aber erst seit Olaf Scholz wichtig sei. Der Modal Split liege heute bei 20%, international läge man da weit zurück. Die Städte mit einem besseren Modal Split würden auf einen Mix, von U-Bahn, S-Bahn und Straßenbahnen setzen. München käme z.B. mit einem Viertel der Busse Hamburgs aus. Jede fehlende Schienenverbindung müsse durch Busse ersetzt werden. Schließlich trug Ode „25 gute Gründe für eine Straßenbahn“ vor. Dazu zählen: Fertigstellung bis 2030 machbar, barrierefreie Züge, Straßenbahnen seien sichtbar und man könne auch rausgucken. Die Straßenbahn bräuchte weniger Platz pro Fahrgast und sei ein schnell erweiterbarer Modulbaukasten. Die Betriebskosten seien niedriger, es brauche keine Hoch- oder Tiefbauten. Während es in Hamburg Proteste gab, würden sich Gewerbetreibende in München um die Straßenbahn bemühen, damit sie gesehen würden. Es gäbe genug Platz, so z.B. auf der zu 90% auf eigener Trasse fahrenden MetroBuslinie 5. Es sei an der Zeit, Verkehrs- und Parteipolitik voneinander zu entkoppeln. Es bräuchte ähnlich wie bei der Schulpolitik einen Verkehrsfrieden und keinen Neustart pro Regierungswechsel.

Dieter Doege ging auf das Thema Fahrgastzahlen ein. Aus der Drucksache 9940/22 gehe hervor, dass 181.300 Einwohner im fußläufigen Umkreis der U5 wohnen würden. Allerdings seien acht der 23 neuen Haltestellen Umsteigebahnhöfe in das Bestandsnetz, die bereits erschlossen wären. Auch wären die Haltestellen auf der Uhlenhorst fußläufig in der Nähe von Bestandsstationen. Die Fahrgastzahlen der HOCHBAHN würden zu hoch angegeben, wie er exemplarisch für die Haltestellen Bramfeld Dorfplatz und Steilshoop vorrechnete. Bei einem Modal Split von 40% und einer Nutzquote von 28,3% (laut hvv) würde man in Steilshoop nur 2660 und nicht 16000 Fahrgäste erwarten können. Insgesamt komme er bei der gesamten U5 auf nur 82.121 Fahrgäste täglich – weit weniger als die HOCHBAHN. Die Busse, die mit der U5 ersetzt werden sollen, könnten real gar nicht ersetzt werden, da sie ganz andere Linienverläufe hätten. Er kommt zum Schluss, dass die U5 eine sehr teure U-Bahn-Linie sei, die nicht annähernd halte, was sie verspreche: „Die U5 ist das unwirtschaftlichste Bauvorhaben, was man haben kann“.

Thomas Müller („Hamburg ist schon zu lange ohne Straßenbahn“) fragt, wieso wir nicht seit 2014 bereits eine Straßenbahn von der Kellinghusenstraße nach Bramfeld hätten, wieso sie nicht längst nach Altona führe und wir heute über weitere Ausbauten diskutieren. Das Straßenbahnnetz von 1955 mit seinen rund 190 Kilometern wiederaufzubauen würde gut 3,8 Milliarden Euro kosten – weniger als die gesamte U5. Er moniert, dass in Diskussionen um die Straßenbahn immer wieder absurde bis unfaire Argumente kämen. Es würden Argumente gesucht, um die Straßenbahn zu verhindern: Die Straßenbahn zerschneide, ihre Baustellen würden belästigen. Es müssten ganze Häuserzeilen weichen. Gegen etwas sein sei leicht, würden Gegner selten an ihren Aussagen gemessen werden – anders als die Befürworter.

„Kein Projekt erschließt Steilshoop so schlecht wie die U5“

Bernd Dieter Schlange aus Steilshoop rechnete vor, wie viele Busse heute auf den Relationen fahren, die die U5 Ost später bedienen werde. Kurzum: Kaum ein Bus nehme den Weg der künftigen U5. Die meisten Busse seien auf die Haltestellen Barmbek, Rübenkamp und Wandsbek-Gartenstadt ausgerichtet. Die Linie 7 werde mit CapaCitys befahren, weil sie benötigt würden. Durch den Bau werde sie „kaputtgemacht“. Kein Projekt würde Steilshoop so schlecht erschließen wie die U5. Man wolle 50% mehr Fahrgäste, aber mache den Nahverkehr unattraktiv: Die auf die U1 verlagerten Umsteiger würden auf bereits volle Züge stoßen. Zum Klimaziel 2030 fasste er schließlich zusammen: „Man muss auch mal einsehen, dass man verloren hat“.

Ein Anwohner aus dem östlichen Steilshoop würde die Station im Steilshooper Zentrum nicht nutzen wollen. Er müsste zwei Stationen mit dem Bus fahren, umsteigen, um dann an der Sengelmannstraße wieder umzusteigen. In der 7 bis Barmbek sitzen bleiben sei da die bequemere Möglichkeit, um in die Innenstadt zu kommen. Die U5 würde nur wenige Minuten Zeitersparnis bedeuten, dafür aber teuer sein. Eine gute Erschließung sei nur durch eine Stadtbahn möglich.

„Es braucht ein ganzheitliches Konzept“

Alexander Montana vom VCD Nord erweiterte die Diskussion um weitere alternative Verkehrsmittel. Die U5 sei auch beim VCD hoch umstritten. Es brauche ein ganzheitliches Konzept. Die U5 belaste den Hauptbahnhof zusätzlich. Eine leistungsfähige Stadtbahn und dezentrale Regionalbahnhöfe seien nötig. Es brauche Strecken mit Netzwirkung, die reiche nicht an einzelnen U-Bahnstationen. Es bräuchte eine Regio-S-Bahn, Stadtbahn und E-Busse, die ihren Namen verdienen würden sowie einen Metropolregion Hamburg-Takt – also alle 30 Minuten einen Zug und keine Wackeltakte. Die Regionalzüge sollten in ein verlässliches Regio-S-Bahnnetz überführt werden, ggf. mit Flügelungen. Strecken müssten reaktiviert werden. Die geforderten 50% mehr Fahrgäste könnten keinesfalls auch über den Hauptbahnhof fahren. Statt einer U5-Neuplanung würden Lückenschlüsse viel mehr Wirkung entfalten. U5 und eine Stadtbahn sollten sich aber nicht ausschließen. Dass man in diesen Zeiten auch neue Stadtbahnen bauen kann, zeige Kiel, wo der Bau erst im November beschlossen wurde. Von der S32 (S6) habe man lange Zeit nichts mehr gehört. Hier könnte eine Stadtbahn helfen, damit überhaupt etwas schienengebundenes kommt. Es sei nicht hinzunehmen, dass weiterhin nichts passiere. Das Geld für die U5 und S32 sei in Projekten mit mehr Netzwirkung besser aufgehoben.

Der nächste Redner wies auf die Bindung an die Gesetze, insbesondere das Klimaschutzgesetz oder den Hamburger Klimaschutzplan hin. Die U5 emittiere mehr als sie einspare. Die Untersuchungen der „drei Rentner“ hierzu seien bislang nicht in Frage gestellt worden.

Es folgte ein kurzer Wortbeitrag, der darauf hinwies, dass es längst auch elektrische Straßenbahnen mit Akkus gebe. „Wir wissen alle, dass ein Straßenbahnnetz für ganz Hamburg was feines wäre“, sagte der Redner abschließend.

„Die Schiene ist das Rückgrat des ÖPNV“

Für Herrn Drewitz vom Bündnis Nahverkehr sei in den Plänen noch viel „wenn“ und Konjunktiv enthalten. Aus 1965 stamme das Zitat, dass die Schienen das Rückgrat des ÖPNV seien. Busse würden demnach nur zu nächstmöglichen Schiene transportieren. Personen aus Norderstedt, die nach Volksdorf wollen, würden Querverbindungen vermissen. Man wolle nicht immer über den Hauptbahnhof. Die Probleme habe Hamburg heute. Viele Busse hätten heute gar nicht mehr diese Zubringerfunktion. Richtung Süden würden Alternativen fehlen. Es gebe bereits Straßenbahnen, die ohne Oberleitungen auskommen, so z.B. in Bordeaux. Es gebe in Hamburg alte Trassen, die wieder mit Schienen ausgestattet werden könnten, wie etwa die ehemalige Linie 11 nach Rönneburg. Schließlich appellierte er an den Verkehrssenator: „Veränderungen brauchen Mut. Diesen Mut wünsche ich Ihnen.“

Es folgte Martin Potthast von der Fahrgastinitiative Hamburg (FIH), der direkt vorausschickte: „Ich bin für die U5.“ Er zählte die Vorteile einer U-Bahn auf und fragte, wieso denn nicht U-Bahn, Straßenbahn und Bus nach Steilshoop fahren dürften? Verkehrswende bedeute nicht, dass nur das Nötigste gemacht werden könnte. Es sei richtig, die U5 über Jungfernstieg zu führen, damit die Linie nicht zur Linie zweiter Klasse wird, der der Innenstadtzugang verweigert werde. Er kritisierte die Pläne der U5 Ost aber auch: Die Lage der Endhaltestelle Bramfeld sei nicht ideal, die City Nord wäre zu nördlich für den Stadtpark erschlossen und der Übergang zur S1 fehle. Dieser sei durch eine Verlegung des S-Bahnhofs an der heutigen Linienführung der U5 möglich gewesen. Die S-Bahn-Planungen nach Osdorf würden nichts taugen: Dort solle nur alle 10 Minuten etwas fahren, ohne Direktverbindung in die Innenstadt.

„Muss die eine Linie wirklich alles abdecken?“

Eine verkehrsplanerische Ansicht vermittelte Herr Alfonso-Domenech. Auch er sei für die U5, aber nicht diese U5. Es fehle eine allgemeine Strategie und der Schnellbahnausbau sei auf allen abgedeckten Achsen auch gerechtfertigt. Er fragt sich, ob das wirklich alles von einer Linie gelöst werden müsse. Es folgte eine Betrachtung der Bestandsnetze und vergleichend der Netzstruktur Moskaus. Durchmesser-, Tangential- und Radiallinien sollten nicht vermischt werden. Bereits bei der U4 sei unklar, was sie eigentlich sein soll. Viele Streckenäste würden ihre Fahrgäste zum Hauptbahnhof entladen. Der Neubau am Diebsteich sei derart attraktiv gelegen, dass entscheidende Neubauprojekte daran vorbeigeführt würden. Durch die Verlegung der S-Bahntrasse von der Verbindungsbahn in den nördlicheren Verbindungsbahnentlastungstunnel würde die Lücke zwischen den beiden Stammstrecken der S-Bahn, die durch die alte U4 gefüllt werden sollte, noch größer werden. Statt der S-Bahn zum Osdorfer Born solle die alte U4-Planung umgesetzt werden. Mit zwei Linien und dem Tausch einzelner Streckenabschnitte würde man eine viel bessere Netzwirkung bestandsnah erreichen. Hamburg solle keine Angst vor Ausfädelungen haben, München habe auch nur drei Kernachsen bei der U-Bahn.

Für Thorsten Nölting aus Groß Borstel ist die U5 „Greenwashing par excellence.“ Hinsichtlich der Kosten sei die Straßenbahn die bessere Lösung. Menschen seien keine Maulwürfe, die U5 biete mit der unterirdischen Linienführung keine Stadterfahrung für die Fahrgäste. Nur 15 Stationen würden neu erschließen, diese lägen zudem weit auseinander. Eine Straßenbahn sei für die Feinverteilung besser geeignet. Auch mit der U5 brauche es den MetroBus 5. Er leiste die Feinverteilung, die die U5 nötig mache. Die Bezeichnung der Straßenbahn als „Stahlungetüm“ sei unerhört. In ganz Europa, selbst in den Autoländern Kanada und USA, würden neue Straßenbahnen gebaut. Die U5-Baustellen würden insbesondere in der Alster zu einer Stadtverschandelung führen, es würden durch die Haltestellen große Baustellen in der ganzen Stadt entstehen.

„Die Straßenbahn ist international im Trend“

Auch Michael Jung von den Initiativen Tram statt U5 und Prellbock Altona wies auf den internationalen Trend zur Straßenbahn hin. Es sei ein Armutszeugnis, dass hier alle Initiativen missachtet würden. Warum dürften sich nicht auch in Hamburg U- und Straßenbahnen ergänzen? Mit der Fokussierung auf die U5 verbaue man sich die Gelegenheit, dringendere Verkehrsprobleme schneller zu lösen. Man könnte auch aus Kostengründen von der U-Bahn zur Straßenbahn umschwenken. Sie würde schneller Abhilfe schaffen.

Herr Philipp von den „drei Rentnern“ ergänzte noch einmal beim Thema Klimaschutz, dass die Einsparung von 354 Tonnen Treibhausgasen durch den Wegzug von 40 Bürgern erreicht werden könnte. Angelehnt an den heutigen Finanzminister Lindner schloss er mit den Worten „Nicht bauen kann besser sein als falsch bauen“.

Herr Betz warf im Anschluss ein, dass nur die Anbindung der Stadtteile im Fokus stehe. Parkhäuser oder Parkmöglichkeiten suche man vergebens. Die HOCHBAHN habe hierzu mitgeteilt, man habe nur den Auftrag zum Schnellbahnbau erhalten.

Herr Rosbach warf der Politik vor, dass die Politiker keine echten Volksvertreter mehr seien, wenn man sehe, was mit Sachverstand vorgetragen worden sei. Es brauche Durchbindungen am Hauptbahnhof anstatt weitere Vergrößerungen.

Als letzter Redner aus dem Plenum erhielt nochmals Herr Müller das Wort. Er fasste zusammen „Die Stadtbahn ist eigentlich unbesiegt“.

Die Schlussworte der Fraktionen

Heike Sudmann (LINKE) bedankte sich bei allen Rednern für ihre Mühen. Die gezeigten Präsentationen würden dem Wortprotokoll beigefügt. Am 2. Februar werde der Senat Stellung beziehen müssen. Anschließend gaben die Fraktionen noch einmal Schlussstatements ab.

Ole-Thorben Buschhüter (SPD) bedankte sich ebenfalls bei allen Anwesenden. Dass es mehr Schiene brauche, sei klar. Es habe ihn aber nichts so überzeugt, um dafür das Thema U5 einfach sein zu lassen. Es sei immer wieder geplant und verworfen worden. Die Stadtbahnplanungen 2011 seien von einer Bürgerinitiative gestoppt worden. Es könnte niemand für die Zukunft ausschließen, dass das nochmal passieren würde. Buschhüter sagte abschließend, er sei froh, dass man mit der U5 so weit sei, dass man bauen könnte. Ein Modal Split von 30% sei ein Ziel und kein Deckel.

Eva Botzenhart (GRÜNE) schloss sich ebenfalls den Danksagungen an. Die Stadtbahn stünde in keiner Konkurrenz zur U5. Es spreche nichts dagegen, in weiteren Schritten mehr zu machen.

Heike Sudmann (LINKE) freue sich bereits auf die Konfrontation mit dem Senat im Februar. Es seien viele Argumente vorgebracht worden, die schon länger von ihr angesprochen wurden. Sie nahm die großen Themen „Was kostet es und was bringt es dem Klima“ mit. Schließlich gebe es auch zwei fertige Stadtbahnplanungen in der Schublade und die U5 sei schon einmal wegverlegt worden, ehe überhaupt geklagt werden konnte – Stichwort Hartzloh. Wenn nun für 25 Stationen entsprechende Baugruben gegraben würden, werde sich niemand davor verschließen können, dass es Klagen geben werde. Die U5 sei keine Lösung, da sie erst 2040 käme.

Die Schlussstatements der CDU- und AfD-Fraktion entfielen mangels Anwesenheit eines Vertreters.

Eine persönliche Einordnung

So weit die vorgetragenen Argumente, die zum Schluss dieser Nachlese noch einmal persönlich eingeordnet werden wollen. Zunächst verwunderte die Sachlichkeit der Argumente. Die typischen und nicht immer sachlichen Grabenkämpfe zwischen den Lagern U-Bahnbau und Stadtbahn blieben überwiegend aus. Nicht selten war zu hören, dass doch auch beides nebeneinander gehen müsse. Zurecht stellte niemand in Frage, dass endlich was geschehen müsse. Nur über das Wie wurde gestritten – das war erwartbar. Die Argumente wurden nachvollziehbar vorgetragen.

Man kann sich der Forderung, es brauche einen Verkehrsfrieden in Hamburg, nur anschließen. Nicht jeder Regierungswechsel darf zu einem kompletten Neustart führen. Richtig ist aber auch, dass die U5-Ost nicht mehr gestoppt werden sollte. Auch der Autor dieser Zeilen wird durch den Bau längere Zeit unmittelbar belastet sein. Aber diese Belastungen sind nur vorübergehend. Für Anwohner in der Nähe des Bramfelder Dorfplatzes verkürzt sich die Fahrzeit in die Stadt auf etwa die Hälfte.

Es ist richtig, dass heute viele Busverkehre an die naheliegenden Schnellbahnanschlüsse Farmsen, Wandsbek-Gartenstadt und Barmbek ausgerichtet sind. Aber viele Fahrgäste dürften auch an einer schnellen Innenstadtanbindung interessiert sein, die dann eben über die U5/U1 oder später U5 allein realisiert wird. Verkehrsströme ändern sich und sind nicht derart in Stein gemeißelt, wie einige vortrugen.

Die hohen Kosten von 10 Milliarden Euro sind nicht ganz nachvollziehbar. Der erste Streckenabschnitt mit gut einem Viertel der Streckenlänge umfasst zusätzlich ein ganzes Betriebswerk samt aller nötigen Anlagen. Dieses erhalten die übrigen drei Viertel ja nicht nochmal selbst. Optimistische Schätzungen gingen von 4 Milliarden Euro für das Gesamtprojekt aus – also gut 50/50 für U5-Ost und den Rest. Inwiefern das in diesen Zeiten Bestand haben kann? Das kann niemand beantworten.

Die U5 verbaut derweil wohl die einzige Möglichkeit, in Hamburg eine Straßenbahn ohne großes Konfliktpotenzial auszuprobieren: Die MetroBuslinie 5 verläuft überwiegend auf eigener Trasse und wird unbestritten als mindestens straßenbahnwürdig bezeichnet. Hier hätte dieses Verkehrsmittel ohne wirkliche Konflikte mit dem Individualverkehr ausprobiert werden können. Wieso nicht? Aus Angst vor dem Erfolg? Andere Städte trauen sich doch auch – nicht zuletzt Kiel.

Beim Thema Klimaschutz bleibt die HOCHBAHN und ihre Gutachter maximal unverbindlich: Die Ausführungen und Maßnahmen sind nicht nachvollziehbar oder gar belegbar. Schöne Klimaschutzprogramme, aber wann kann was passieren? Bei der U5-Ost wird man nichts einsparen können, mal von den Optimierungen im Bauablauf abgesehen.

Ich freue mich auf die U5-Ost. Die Schienenanbindung Bramfelds ist überfällig. Aber ob die U-Bahn das richtige Verkehrsmittel ist, um in 20 Jahren alle Verkehrsprobleme von „vorgestern“ zu lösen, möchte ich an dieser Stelle ganz bewusst offen lassen.

Nachtrag: Das Wortprotokoll zum Nachlesen

Inzwischen ist das Wortprotokoll samt gezeigter Präsentationen der Redner in der Parlamentsdatenbank veröffentlicht worden. Das Protokoll 26/22 ist >> hier << direkt abrufbar.