LINKE schlagen Stadtbahn nach Wilhelmsburg vor

Am Freitag stellte die Hamburger Linksfraktion eine neue Idee für die Wiedereinführung einer Stadtbahn in Hamburg vor: Eine T13 von Mundsburg auf die Elbinsel – entlang der heutigen MetroBus-Linie 13.

Vier Jahrzehnte nach der Einstellung der Hamburger Straßenbahn und ein Jahrzehnt nach dem Scheitern der letzten Pläne zur Wiedereinführung bleibt die Stadtbahn im Gespräch. Für Heike Sudmann, verkehrspolitische Sprecherin der LINKEN, steht fest:

„Die U5 kommt zu spät, ist zu teuer und produziert auch zu viel CO2 beim Bau. Auch kommt für den Hamburger Süden nichts dabei rum.“

Heike Sudmann (LINKE)

Die nun vorgestellte Idee, eine Straßenbahn vom Bahnhof Mundsburg über die Elbbrücken nach Kirchdorf Süd zu bauen, sei unterdessen nicht neu. Der frühere HOCHBAHN-Vorstandsvorsitzende Günter Elste habe bereits 2016 eine Straßenbahn auf die Elbinsel vorgeschlagen. Der damalige Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) war – wenig überraschend – davon wenig angetan. In Rücksprache mit Elste hätten Dieter Doege und Jens Ode diese Idee nun weiter vertieft. Entstanden ist eben jene Linie T13.

Die vorgestellte Linie T13 hat eine Länge von 15 Kilometern und soll an 36 Stationen halten: U Mundsburg – Eilenau – Wartenau – S Landwehr (Ramazan-Avci-Platz) – Carl-Petersen-Straße – Kath. Marienkrankenhaus – Jungestraße – U/S Berliner Tor (Bürgerweide) – Gotenstraße – S Hammerbrook – Süderstraße – Billstraße – Billhorner Röhrendamm – Elbbrücken (Straßenbrücke, nicht U/S-Bahnhof) – Veddeler Marktplatz – Hovestieg – Veddeler Brückenstraße (Mitte) – Wilhelmsburger Platz – S Veddel – Harburger Chaussee – Werkcentrum Elbinsel – Vogelhüttendeich – Stübenplatz – Mannesallee – Veringstraße (Mitte) – Krankenhaus Groß-Sand – Rotenhäuser Straße – Mengestraße – Rathaus Wilhelmsburg – Dratelnstraße – Inselpark – S Wilhelmsburg – Neuenfelder Straße (Schule) – Kirchdorfer Straße (Museum Elbinsel) – Karl-Arnold-Ring – Kirchdorf Süd. Die Linksfraktion rechnet mit Baukosten in Höhe von rund 460 Millionen Euro. Alle fünf Minuten solle eine Stadtbahn verkehren, die für die gesamte Strecke 40 Minuten bräuchte. Als Höchstgeschwindigkeit werden 80 km/h angegeben.

„Der große Webfehler des hamburgischen Verkehrsnetzes sind weitgehend fehlende Querverbindungen zwischen den Schnellbahnlinien. Mit der Folge, das rund ein Drittel der Beförderungsnachfrage in Hamburgs City nur deshalb stattfinden, weil es keine peripheren Schnellverbindungen gibt.“

T13-Konzept von Dieter Doege und Jens Ode

Die nun vorgeschlagene Linie T13 verbinde alle aus dem Osten Hamburgs einstrahlenden Schnellbahnlinien und entlaste dadurch den Hauptbahnhof weiter: „Die beste Entlastung des Hauptbahnhofs wäre (…), wenn wir all jene Fahrgäste fernhalten können, die hier einfach nur mangels Alternative umsteigen müssen“, so Sudmann.

Bereits im Sommer letzten Jahres hatte die LINKE eine Studie veröffentlicht, die statt dem Bau der Linie U5 den Bau eines rund 50 Kilometer langen Stadtbahnnetz vorschlug. Die Idee erläutert die Linksfraktion auf ihrer Website, auf der auch das U5-Gutachten heruntergeladen werden kann.

Pro und Contra – Eine Einordnung der Kommentare im Abendblatt

Bereits bei der öffentlichen Anhörung zum Thema U5 im Verkehrsausschuss am 1. Dezember 2022 war das Thema Stadtbahn präsent – zumeist aber als Ergänzung und nicht U5-Ersatz. Das Hamburger Abendblatt begleitete den Artikel zu den neuen Stadtbahnplänen in der Ausgabe vom 6. Januar mit zwei Kommentaren, die nicht uneingeordnet bleiben sollten.

Vorweg die Bemerkung: Die nun folgenden Ausführungen stellen – soweit nicht anders angegeben – die persönliche Meinung des Autors dar.

Der erste Kommentar von Stephan Steinlein trägt den Titel „Nein! Diese Bahn würde mehr Probleme schaffen als lösen“ und vertritt die Contra-Seite. Die Straßenbahn sei in Hamburg Geschichte und so solle es bleiben. Mit dem Thema Stadtbahn würde man Wahlen verlieren, wie CDU und GRÜNE 2011 erlebten. Die Wähler hätten eine Stadtbahn nicht gewollt. Der Autor wirft die Frage auf, was es bedeute eine Straßenbahn zu bauen. Seine Antwort: Es käme zu jahrelangen Baustellen auf ohnehin überfüllten Straßen – massive Verkehrsbehinderungen inklusive. Der begrenzte Raum würde weiter verengt, Parkplätze fielen weg. Die Stadt brauche einen wenigstens halbwegs fließenden Verkehr statt neuer Hindernisse. Es sei die richtige Entscheidung von Olaf Scholz gewesen, auf die deutlich teurere U5 zu setzen, da die Belastungen für Verkehr und Anwohner vergleichsweise gering seien. Dennoch gebe es Protest. Eine einzige Straßenbahnlinie würde auch keinen Sinn ergeben.

Als Neu-Bramfelder gehen bei mir persönlich alle Alarmglocken an. Anfang Dezember fasste ich zusammen, dass ich für die Bramfelder U5 wäre, stellte zugleich aber die Frage, ob die Gesamt-U5 die beste Idee für Hamburg sei. Mir wird sie einen schnellen Zugang zum Schnellbahnnetz verschaffen – in 10 Jahren. Politisch gesehen also schon morgen. Ich hätte nichts dagegen, würde es schneller gehen. Den Preis, den wir Anwohner zahlen, ist aber weit mehr als „vergleichsweise gering“. Der Stadtteil wird mit mehreren über 100 Meter langen Baugruben durchlöchert, da die Haltestellen in offener Bauweise entstehen. Das Verkehrschaos ist über Jahre vorprogrammiert. Aber da müssen wir durch, der Zweck heiligt die Mittel. Eine Stadtbahn-Wanderbaustelle braucht – blickt man z.B. nach Berlin, wo gerade eine neue Strecke gebaut wird – deutlich weniger Zeit. Hätte Herr Steinlein vorher mal Google Streetview bemüht, hätte er vermutlich auch gewusst, dass die T13 in Wilhelmsburg nicht auf eigener Trasse verlaufen kann, sondern auf der Straße fahren muss, es sei denn man will den Autoverkehr komplett verbieten (wohl kaum…?!). Ist es nicht egal, ob ein Bus oder eine Stadtbahn auf der Straße fährt? Wo entfallen Parkplätze und wo wird Verkehrsraum verengt? Auf den Elbbrücken würde die alte Straßenbahntrasse, auf der heute Busse fahren, genutzt werden. Es entsteht der Eindruck, dass hier ein überzeugter Autofahrer kommentierte, der von Stadtbahnbau oder den örtlichen Begebenheiten keine Ahnung hat.

Deutlich offener ist Matthias Iken, dessen Kommentar den Titel „Ja! Was gestern falsch schien, kann heute richtig sein“ trägt. Jede Verkehrsplanung sei ein Kind ihrer Zeit. So ließen sich die Fehler erklären, die in den vergangenen Jahrzehnten begangen worden seien. Die Straßenbahn fiel dem Auto zum Opfer, auch die Schnellbahnen mussten unter die Erde. Übrig sei nur der Bus geblieben, der sich im Stau einreihen dürfe. Iken wirft die Frage auf, ob die Antworten der 1970er-Jahre noch auf die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts passen würden. Man müsse die Verkehrswende nicht mögen, könne aber den Trend weg vom Auto in den europäischen Metropolen nicht mehr verkennen. Das Auto werde in der City mehr und mehr ersetzt und würde den Weg für eine Stadtbahn wieder frei machen. Sie sei barrierefrei erreichbar, bequemer und zuverlässiger als der Bus und wesentlich schneller und günstiger gebaut als eine U-Bahn. Der T13-Vorschlag verdiene eine vorurteilsfreie Prüfung wie auch die CDU-Metrotram aus dem Jahr 2019. Eine Stadt der Innovation brauche innovative Konzepte und: „Was gestern falsch schien, kann heute richtig sein. Es ist höchste Zeit, dass sich was dreht.“

Hierzu gibt es kaum noch etwas hinzuzufügen. Herr Iken geht allerdings offenbar davon aus, dass die Stadtbahn eine eigene Trasse erhielte und in der City verkehren würde – was bei der T13 aber beides nicht der Fall ist bzw. sein dürfte. Solange eine Stadtbahn auf der Straße fahren muss, wäre sie aber genauso dem Stau ausgesetzt wie jeder Bus. Die Hochflur-Metrotram darf aber gern in den Schubladen verbleiben, sie würde dem Stadtbild unserer schönen Metropole wohl kaum gut tun.

Die Stärken und Schwächen der T13

Kommentar • Wo Licht ist, ist bekanntlich auch immer Schatten. Spätestens wenn ein LKW ungünstigerweise unter einem S-Bahnhof im Vollbrand steht ist klar: Eine einzelne Schienenanbindung der Elbinsel ist nicht genug. Das haben so ziemlich alle Parteien im Spätsommer erkannt. Dass wirklich etwas getan wird, ist allerdings nicht zu erkennen.

Irgendwann in den 2030er-Jahren, wann genau weiß man nicht, soll die U4 den Sprung über die Elbe wagen. Bis in den Moldauhafen – für Investoren am Grasbrook. Der Elbinsel wird damit nicht geholfen: Fährt die S3 nicht, kommt man weiterhin nicht in die Stadt. Für den Weiterbau laufen Studien, die aber laut neusten Aussagen von Verkehrssenator Tjarks (GRÜNE) keine Priorität hätten. Das passt ins Bild: Wilhelmsburg hat für die Hamburger Politik schlicht keine Priorität. Die Stadt endet an der Elbe.

Im Dezember kommentierte ich, die MetroBus-Linie 5 wäre wohl die ideale Teststrecke für eine Stadtbahn. Die scheidet nun aus, weil der Senat von einer U5 überzeugt ist. Eine U5, die laut Hamburger Abendblatt vom 5. Januar 2023 wohl auch zu nachhaltigen Eingriffen im Bereich der Grindelallee führen wird: Da die Fußwege zu schmal für zusätzliche U-Bahn-Aufgänge seien, müssten hier Autospuren geopfert werden – auf einer wichtigen Verkehrsachse.

Nach dem LKW-Brand an den Elbbrücken, seit dem die Züge Richtung Hauptbahnhof immernoch nicht wieder in der neuen Station halten können, ist klar: Es muss sich etwas ändern. Da kommt eine T13 natürlich mehr als gelegen, könnte sie doch früher fertig sein als die U5 (bzw. hier U4-Süd). Die Linienführung ist sicher nicht in Stein gemeißelt. Doch stellt sich die Frage, wieso die Burgstraße und Hamm als Fahrgastmagnete der MetroBus-Linie 25 außen vor bleiben, und wieso die Strecke ausgerechnet zum U-Bahnhof Mundsburg führt. Dorthin könnte man ab Berliner Tor ja auch die U3 nehmen… Genauso bleibt zunächst offen, wo die mindestens 16 benötigten Straßenbahnen abgestellt und gewartet werden sollen.

Bei dem vorgestellten Konzept handelt es sich ein Mal mehr um eine Totgeburt: Nicht, weil die Idee schlecht wäre, sondern weil sie von der Opposition kommt. Was sich nicht die eigene Fachbehörde ausdenkt, ist schlecht, und noch schlechter ist die Idee, wenn es um Stahlungetüme geht. Die keine moderne Stadt mehr neu baut. Berlin ist nicht modern, und Kiel gehört mit der Wiedereinführung einer Stadtbahn wohl auch zu den Ewiggestrigen. Stadtbahnen baut man nicht. Und genau hier kommen wir zum Debakel der Hamburger Verkehrspolitik. Die Zeit wird mit schwarz-weiß geführten Grundsatzdiskussionen verbracht, ohne Fortschritte. Die Hamburger GRÜNEN scheinen davon auch langsam abzurücken und sehen kein Entweder-Oder-Verhältnis mehr. Die U5 steht aber für die Regierungsfraktionen nicht zur Debatte.

Ein solches Entweder-Oder bleibt aber unvermeidbar. Eine T13 wäre ein Sargnagel für die U4-Planungen bis Harburg. Mit einer attraktiven Schienenanbindung der Elbinsel inklusive Feinerschließung wird ein Kosten-Nutzen-Faktor von mehr als 1 für eine U4-Verlängerung über den Moldauhafen hinaus in Richtung Harburg kaum zu erreichen sein. Da müsste man sich die Frage stellen: Eine Stadtbahn in den 2030er-Jahren oder eine U-Bahn in den 2050er-Jahren? Auch hier dürfte die U-Bahn für heutige Probleme Jahrzehnte zu spät kommen. Und auch wenn mit der U5 und dem Verbindungsbahnentlastungstunnel sowie der S-Bahn nach Osdorf einige Planungsleistungen gebunden sind: Auf die lange Bank schieben sollte man Studien für eine Harburger U4 nun wirklich nicht. Auch wenn sie ohne neue Querung der Norderelbe noch nicht realisierbar ist: Man kann nicht früh genug anfangen, fundierte Pläne in die Schubladen zu legen.

Liebe Politik: Es braucht einen Verkehrsfrieden. Kümmert Euch um einen technologieneutralen Verkehrsentwicklungsplan. Die Verkehrspolitik muss von der reinen Parteipolitik getrennt werden. Es kann nicht sein, dass schlimmstenfalls alle fünf Jahre ein neuer unverbindlicher Plan – Koalitionsvertrag genannt – eine völlig neue Marschroute festlegt. Der Nahverkehr geht uns alle an, es sollte hier um Menschen und nicht um Stimmen gehen. Träumen wird man ja wohl dürfen.

Titelbild: Alstom Flexity „X33“ in Göteborg – digital in Hamburger Farben umlackiert.