Kostenexplosion: Verkehrsausschuss zieht nicht die Reißleine

Heute befasste sich der Verkehrsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft mit den teils erheblichen Kostensteigerungen bei den aktuellen U-Bahn-Neubauprojekten. Wenig überraschend zog der Ausschuss nicht die Reißleine. Nun sind der Haushaltsausschuss und die Bürgerschaft am Zug.

Nach einem kurzen Blick auf die aktuellen Baufortschritte erklärten Vertreter des Senats die Kostensteigerungen, die im Detail in der Bürgerschaftsdrucksache 22/11730 erklärt werden.

Wie die Preissteigerungen zustande kommen

In die Gesamtkosten der Bauprojekte werde auch ein Budget für Preissteigerungen eingerechnet, das auf Prognosen basiere. Dafür seien die letzten zehn Jahre berücksichtigt worden. HOCHBAHN und Senat betonten, dass die Kostensteigerungen auf die Inflation und nicht etwa eine schlechte, also unsorgfältige Planung zurückzuführen seien.

Die Baupreise seien aufgrund der Corona-Pandemie und des Krieges in der Ukraine deutlich höher als erwartet in die Höhe geschossen. Im Jahr 2022 hätten sie bei 15,8% gelegen, nur 1970 sei die Teuerungsrate noch höher gewesen. Die Einkaufspreise beim Stahl hätten im Oktober 2022 beim rund 1,8-fachen des Preises von 2019 gelegen, die Preise für Schlitzwände hätten sich seitdem mehr als verdoppelt.

Aufgrund dessen und von Erfahrungen mit den ersten U5-Vergaben seien daher nun die Budgets für Preissteigerungen neu berechnet worden, mit einem aktualisierten 10-Jahres-Rückblick. Die Folge: Die U4-Verlängerung wird 96 Millionen teurer als erwartet, die U5 1.103 Millionen Euro teurer.

Warum die U5 deutlich teurer wird

Der nun zu finanzierende Mehrbedarf erstreckt sich auf mehrere Teilposten. Eine Kostensteigerung von 257 Millionen Euro wurde schon in die Basiskosten (Bauleistungen) mit eingerechnet. Diese ergeben sich aus der aktuellen Marktlage und Ausschreibungsergebnisse. 854 Millionen Euro mehr sind für den Posten Preissteigerungen vorgesehen. Während bei der U4 bereits viele Leistungen vergeben wurden, steht die U5 hier quasi am Anfang.

Bei der U5 Ost kämen sogenannte Preisgleitklauseln zum Einsatz, sodass das Kostenrisiko nicht auf Auftragnehmerseite liege. So müssten die Firmen keine eigenen Risikopuffer einplanen und der Bau koste so nur so viel, wie er auch kosten müsste. Es sei ein Index gebildet worden, der verschiedene Kostenpunkte berücksichtige, um extrem schwankende Preise, wie z.B. beim Stahl, abzufedern. Im besten Fall könnten so auch fallende Preise weitergegeben werden. Die HOCHBAHN betonte bei dieser Gelegenheit, dass die Preissteigerungen in der prognostizierten Höhe nicht eintreten müssen. Es sei eben eine Art Risikopuffer, um auf steigende Preise ohne weitere Haushaltsnachträge reagieren zu können.

Kein Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit

Es mag überraschen, dass eine Verdoppelung der Kosten der U5 Ost keinen Einfluss auf die Nutzen-Kosten-Analyse haben soll – aber es ist so: Trotz Überarbeitung der Förderrichtlinien des Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetzes (GVFG) bleibt es auf der Kostenseite beim einheitlichen Bezugsjahr 2016. So sei gewährleistet, dass die verschiedenen Projekte vergleichbar bleiben.

Über das GVFG könnte sich der Bund mit bis zu 75% an den förderfähigen Kosten beteiligen. Bei der nach alten Richtlinien geförderten U4-Verlängerung Horner Geest waren es knapp unter 50%. Hier soll ein Antrag auf eine weitere Förderung in Kürze folgen.

Im Sommer weiß man mehr

Die Standardisierte Bewertung, die den Nutzen-Kosten-Faktor ermittelt, soll bis zum Sommer 2023 fertiggestellt werden. Dabei werde die gesamte Linie betrachtet. Die fachliche Abstimmung sei bereits abgeschlossen. Anschließend sei die Unterlage dem Bund vorzulegen. Man plane, den Förderantrag im Herbst einzureichen, um noch in diesem Jahr eine Förderzusage des Bundesverkehrsministeriums für die U5 Ost zu erhalten. Dann wird auch bekannt, wie wirtschaftlich die U5 – bezogen auf die (inzwischen fiktiven) Kosten 2016 insgesamt sein soll.

Neuer Fahrplan für die U5

Die Zeitpläne für die U5 haben sich einmal mehr verschoben. Nun geht die HOCHBAHN von einer Eröffnung der Bramfelder U-Bahn Ende 2033 aus, zuletzt war von 2032 die Rede. Von den Verzögerungen sei der Probebetrieb nicht betroffen: Er soll weiterhin im Jahr 2027 zwischen Sengelmannstraße und der City Nord beginnen. Dann seien die Fahrzeuge, und die neue Betriebssoftware zu testen und abzunehmen. Ende 2029 möchte man dann auf diesem kleinen Teilstück mit dem Fahrgastbetrieb beginnen und so erste Erfahrungen im Realbetrieb sammeln.

U5 Jarrestraße: Es geht voran

Derweil wird auch für den bislang U5 Mitte bezeichneten Abschnitt City Nord – Jarrestraße auf die Tube gedrückt. Die Entwurfsplanung laufe noch bis voraussichtlich Sommer 2023, sodass das Planfeststellungsverfahren 2024 angestoßen werden könnte. Nach dem 2026 erwarteten Planfeststellungsbeschluss möchte man auch hier zügig den Bau beginnen, um zusammen mit dem Linienast nach Bramfeld 2033 immerhin schon den Abschnitt City Nord – Borgweg eröffnen zu können. Das Teilstück bis zur Jarrestraße soll 2034 eröffnet werden. So solle die U5 möglichst schnell eine gewisse Netzwirkung entfalten.

Und der Rest?

Die fortgeschriebene Vorplanung für den übrigen Abschnitt bis zu den Arenen sei abgeschlossen, die Träger öffentlicher Belange würden bereits beteiligt. Im dritten Quartal 2023 soll die Entwurfs- und Genehmigungsplanung ausgeschrieben werden. Es würden Gespräche mit der DB zur Überschneidung mit dem Verbindungsbahnentlastungstunnel laufen, im Bereich Hauptbahnhof seien gemeinsame Bauwerke im Gespräch. Jedenfalls wolle man um jeden Preis verhindern, zwei Mal hintereinander an der selben Stelle zu bauen.

Klares Bekenntnis, aber Kritik bleibt nicht aus

Die LINKE hielt sich mit der Kritik nicht zurück, und fragte was ein Abbruch des U5-Baus kosten würde. Konkrete Zahlen konnte hierzu niemand nennen. Einmal mehr wurde kritisiert, dass es bis heute keine Kostenschätzung für die gesamte U5 gäbe. Mit reinen Baukosten von 485 Millionen Euro pro Kilometer lande man bei 11 bis 13 Milliarden Euro für die Gesamtlinie – eine Zahl, die der Senat bislang nicht nennen möchte. Auch höre man nichts zum Nutzen der Linie, die Ergebnisse der Untersuchung würden nur mit Optimismus beantwortet – wenig konkret. Die CDU steht zwar hinter der U5, fragte aber recht konkret zu den Preissteigerungen nach, und wann man sie bemerkte. Es gehe hier um eine Milliarde Euro, ob vom Bund oder aus Hamburg sei weniger wichtig: So oder so sei es Geld des Steuerzahlers und somit sparsam auszugeben.

Die Regierungsfraktionen bekannten sich erwartungsgemäß zum Schnellbahnausbau in der geplanten Form. Die SPD betonte noch einmal, wie wichtig es sei, endlich auch mal etwas zu bauen, und Pläne nicht immer wieder in die Schublade zurückzulegen. Auch lobte sie den Senat, so transparent die gestiegenen Kosten vorzustellen. Früher sei das passiert, als die unerwartet hohe Rechnung gestellt wurde, und nicht vorsorglich.

Mit den Stimmen von SPD und GRÜNEN, gegen die Stimme der LINKEN und bei Enthaltung der CDU winkte der Verkehrsausschuss die Kostensteigerungen durch. Nun liegt es in der Hand des Haushaltsausschusses, der kommende Woche tagt. Zur Sitzung wird zeitnah ein Wortprotokoll in der Parlamentsdatenbank veröffentlicht werden.