472 061 wird Testzug für „Sensors4Rail“

Lange wurde um die Verwendung des seit September umgebauten Altbaufahrzeugs 472 061 gerätselt, nun ist bekannt geworden, was er erproben soll.

Der Triebzug erhielt im Werk Neumünster im Rahmen des Sensors4Rail-Projekts Technik der Firmen Siemens, Bosch und Ibeo Automotive. Ziel des Projekts ist die Ermöglichung einer dichteren Zugfolge ohne zusätzliche Aufrüstung und Erneuerung der Infrastruktur. Diese soll durch eine sensorbasierte Wahrnehmung des Umfelds vor und neben dem Zug und damit präzisen Ortung des Fahrzeugs in Echtzeit erreicht werden.

Überblick über die in den Versuchszug 472 061 eingebauten Messtechniken: GNSS-Emfpänger (Siemens), LiDAR-Sensoren (Ibeo Automotive), Kameras und Radarsensoren (Bosch) – Grafik: Deutsche Bahn

Siemens ist für die Systemtests und Lokalisierung der Zugfrontposition mittels einer Odometrie-Einheit unter Einbindung von GNSS-Satellitenortung zuständig.

Die Umfeldwahrnehmung erfolgt mit Technik der Firma Bosch für Radar sowie Infrarot-Long-Range und -Mid-Range sowie -Stereokamera.

Diese wird ergänzt durch die Technik der Firma Ibeo Automotive, sie liefert sogenannte Real-Solid-State-LiDAR-Sensoren „ibeoNEXT“. Der ibeoNEXT-Sensor basiert auf neuer Photonen-Lasermesstechnik, welche ohne bewegliche Teile auskommt. Dabei wird zusätzlich – wie bei einer Kamera – ein schwarz-weiß-Bild erstellt.

Überblick über die eingesetzten Technologien. Grafik: Deutsche Bahn

Auch die Systeme von Bosch und ibeo lokalisieren die Fahrzeugfront, hier allerdings landmarkenbasiert. Sie werden mit hinterlegten HD-Karten von HERE abgeglichen, eine zentimetergenaue Ortung soll damit möglich sein. Sie enthält Objekte im Streckenverlauf wie Gebäude, Brücken oder Bahnsteigkanten, die Karte wird so zum digitalen Zwilling der Schiene. Bosch fusioniert die Sensordaten, um auch bei Nacht und Nebel weiter ein zuverlässiges Abbild der Umgebung zu erzeugen. Auch der Schienenverlauf wird erkannt und mit Fahrsituationen und Umgebungsobjekten in Bezug gesetzt, um die jeweils richtigen Reaktionen abzuleiten.

Aufgrund der im Vergleich zu Autos wesentlich längeren Bremswege haben die verbauten Sensortechnologien entsprechend hohe Reichweiten.

Die DB zeichnet sich bei diesem Gemeinschaftsprojekt für das Projektmanagement, Fahrzeugengineering, Zulassung und die Sicherheit verantwortlich. Als Teststrecke wurde – wie beim ETCS-Projekt – die Linie S2/S21 der S-Bahn Hamburg zwischen Berliner Tor und Aumühle ausgewählt.

Erste Testfahrten sollen Anfang 2021 stattfinden, die Vorstellung der Ergebnisse sowie Livedemonstrationen sollen im Rahmen des ITS-Weltkongresses vom 11. bis 15. Oktober 2021 in Hamburg erfolgen. Die Technik soll das Fahrpersonal nur unterstützen, nicht ersetzen.

Offen bleibt jedoch nach der Lektüre der Pressemeldungen, wie man sich vorstellt, ohne Investitionen / Aufrüstungen der Strecken auszukommen. Das mag bei dieser Technikerprobung mit einem einzelnen Triebzug funktionieren, um vorzuführen, dass der Zug sich in Echtzeit orten kann. Das führt allerdings nicht zur Erhöhung der Streckenkapazität, welche heute durch die konventionelle Zugsicherung begrenzt ist. Die Möglichkeit, in Echtzeit zu orten, dürfte wohl erst bei ETCS Level 3 oder 4 nützlich werden (derzeit im Test bei der S-Bahn: Level 2).

Titelbild: 472 061 im Sommer 2020 noch im regulären Fahrgastbetrieb auf der Linie S31 (Symbolbild).Quelle: ibeo / DB